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Der dunkle Turm - Gesamtausgabe

Der dunkle Turm - Gesamtausgabe

Titel: Der dunkle Turm - Gesamtausgabe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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und die meisten Besucher der Bar traten oder schwankten heraus, um zuzusehen. Sie sahen primitiv aus. Ihre Gesichter schienen zwischen den Flammen und der eiskristallklaren Brillanz des Himmels zu schweben. Allie betrachtete sie und verspürte ein Aufflackern vorübergehender Verzweiflung ob der traurigen Zeiten, die über die Welt gekommen waren. Die Dinge waren zerfallen. Es war kein Leim mehr im Zentrum der Dinge. Sie hatte nie das Meer gesehen, würde es nie sehen.
    »Wenn ich den Mumm hätte«, murmelte sie. »Wenn ich den Mumm, Mumm, Mumm hätte…«
    Nort hob den Kopf, als er ihre Stimme hörte, und lächelte sie aus der Hölle heraus nichtssagend an. Sie hatte keinen Mumm. Nur eine Bar und eine Narbe.
    Das Feuer brannte rasch nieder, und ihre Kunden kamen wieder herein. Sie fing an, sich Star Whiskey einzuschenken, und um Mitternacht war sie sturzbetrunken.
     
     

8
     
    Sie beendete ihre Geschichte, und da er nicht gleich antwortete, glaubte sie zuerst, ihre Schilderung hätte ihn in den Schlaf gewogen. Sie fing schon selbst an zu dösen, als er sagte: »Ist das alles?«
    »Ja. Das ist alles. Es ist schon sehr spät.«
    »Hm.« Er drehte sich eine neue Zigarette.
    »Mach mir keine Tabakskrümel ins Bett«, sagte sie heftiger, als sie gewollt hatte.
    »Nein.«
     
    Wieder Schweigen. Die Glut seiner Zigarette loderte auf und nieder.
    »Du wirst morgen früh weiterziehen«, sagte sie düster.
    »Ich sollte. Ich glaube, er hat hier eine Falle für mich zurückgelassen.«
    »Geh nicht«, sagte sie.
    »Wir werden sehen.« Er drehte sich auf die Seite, weg von ihr, aber sie war beruhigt. Er würde bleiben. Sie döste ein.
    Auf der Schwelle zum Schlaf dachte sie noch einmal daran, wie Nort ihn angesprochen hatte, in dieser seltsamen Sprache. Davor und danach hatte sie ihn keinerlei Gefühle mehr ausdrücken gesehen. Selbst sein Geschlechtsakt war eine stumme Angelegenheit gewesen, und erst ganz zuletzt war sein Atem heftiger gegangen und hatte dann eine Minute fast ganz aufgehört. Er war wie etwas aus einem Märchen oder einem Mythos, der Letzte seiner Art in einer Welt, die die letzte Seite ihres Buches schrieb. Das alles war unwichtig. Er würde eine Weile bleiben. Morgen war genügend Zeit zum Nachdenken, oder übermorgen. Sie schlief ein.
     
     

9
     
    Am Morgen kochte sie ihm Grütze, die er kommentarlos aß. Er schaufelte sie sich in den Mund, ohne an sie zu denken, ja er sah sie kaum. Er wußte, er sollte weiterziehen. Mit jeder Minute, die er hier saß, entfernte sich der Mann in Schwarz weiter von ihm – wahrscheinlich war er inzwischen schon in der Wüste. Sein Weg hatte ihn unbeirrbar nach Süden geführt.
    »Hast du eine Karte?« fragte er sie plötzlich und sah auf.
    »Von der Stadt?« Sie lachte. »Die ist nicht so groß, daß man eine Karte brauchen würde.«
    »Nein. Von dem, was südlich von hier liegt.«
    Ihr Lächeln erlosch. »Die Wüste. Nur die Wüste. Ich dachte, du würdest eine Weile bleiben.«
    »Was liegt südlich von der Wüste?«
    »Woher soll ich das wissen? Niemand durchquert sie. Seit ich hier bin, hat es niemand versucht.« Sie wischte sich die Hände an der Schürze ab, nahm Topflappen und schüttete den Topf mit Wasser, das sie heiß gemacht hatte, ins Spülbecken, wo es spritzte und dampfte.
    Er stand auf.
    »Wohin gehst du?« Sie hörte die schrille Angst in ihrer Stimme und haßte sie.
    »Zum Mietstall. Wenn es jemand weiß, dann der Stallknecht.« Er legte ihr die Hände auf die Schultern. Die Hände waren warm. »Und um mich um mein Maultier zu kümmern. Wenn ich hier bleibe, sollte sich jemand darum kümmern – bis ich wieder gehen muß.«
    Aber noch nicht . Sie sah zu ihm auf. »Aber hüte dich vor diesem Kennerly. Wenn er nichts weiß, dann erfindet er etwas.«
    Als er gegangen war, wandte sie sich dem Spülbecken zu und spürte das heiße, warme Fließen ihrer Tränen der Dankbarkeit.
     
     

10
     
    Kennerly war zahnlos und unangenehm und mit Töchtern geschlagen. Zwei halb erwachsene sahen den Revolvermann aus dem staubigen Schatten der Stallung heraus an. Ein Baby sabberte glücklich im Staub. Eine, die schon erwachsener war, blond, schmutzig, sinnlich, betrachtete ihn mit abwägender Neugier, während sie mit der ächzenden Pumpe neben dem Gebäude Wasser pumpte.
    Der Stallknecht kam ihm auf halbem Weg zwischen seinem Unternehmen und der Straße entgegen. Sein Benehmen schwankte zwischen Feindseligkeit und einer Art feigen Kriechens – wie ein Straßenköter,

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