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Der dunkle Turm - Gesamtausgabe

Der dunkle Turm - Gesamtausgabe

Titel: Der dunkle Turm - Gesamtausgabe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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Stummeln seiner Finger kaum bemerkte.
    Süß! Ihr Götter, wie süß! Wie süß! Wie…
    Einer der kleinen flachen Eiswürfel in dem Getränk geriet ihm in den Hals. Er hustete, klopfte sich auf die Brust und würgte ihn heraus. Jetzt verspürte er neue Kopfschmerzen: die silbrigen Schmerzen, die davon herrühren, wenn man etwas zu Kaltes zu schnell trinkt.
    Er lag still da und spürte sein Herz wie einen durchgedrehten Motor klopfen, spürte frische Energie so schnell in seinen Körper strömen, daß ihm war, als könnte er tatsächlich explodieren. Ohne darüber nachzudenken, was er tat, riß er ein weiteres Stück von seinem Hemd ab – es würde bald nur noch ein Lumpen sein, der um seinen Hals hing – und legte es über ein Bein. Wenn das Getränk leer war, würde er das Eis in den Stoffetzen kippen und daraus eine Packung für seine verletzte Hand machen. Aber seine Gedanken waren anderswo.
    Süß! schrien sie immer und immer wieder und versuchten, den Sinn dessen zu erfassen oder sich wenigstens davon zu überzeugen, daß es einen Sinn gab, so sehr wie Eddie sich davon überzeugt hatte, daß der andere ein wahrhaftiges Wesen gewesen war und nicht eine Geistesverwirrung, die lediglich einen anderen Teil von ihm darstellte, der versuchte, ihn zu überlisten. Süß! Süß! Süß!
    Das dunkle Getränk war mit Zucker versetzt, mit mehr noch, als selbst Marten – der hinter seinem ernsten asketischen Äußeren ein gewaltiges Leckermaul gewesen war – sich am Morgen oder Nachmittag in den Kaffee getan hatte.
    Zucker… weiß… Pulver…
    Der Blick des Revolvermanns wanderte zu den Beuteln, die unter dem Gras, mit dem er sie zugedeckt hatte, kaum zu sehen waren, und fragte sich kurz, ob der Stoff in den Beuteln und der in dem Getränk ein und dasselbe sein mochten. Er wußte, daß Eddie ihn hier drüben, wo sie zwei verschiedene körperliche Wesen waren, genau verstanden hatte; er vermutete, wenn er körperlich in Eddies Welt überwechselte (und er wußte instinktiv, daß das möglich war… doch sollte sich die Tür schließen, während er drüben weilte, würde er für immer dort sein, so wie Eddie für immer hiersein würde, sollte die Tür sich während seiner Anwesenheit in Rolands Welt schließen), würde er die Sprache dort ebenso perfekt verstehen. Von seinen Aufenthalten in Eddies Verstand wußte er, daß sich die Sprachen der beiden Welten von vorneherein ähnlich waren. Ähnlich, aber nicht identisch. Hier war ein Sandwich ein Belegter. Dort bedeutete pandschen, etwas zusammenzubrauen. Also… war es nicht möglich, daß die Droge, die Eddie Kokain nannte, in der Welt des Revolvermannes Zucker wurde?
    Doch bei genauerem Nachdenken war das unwahrscheinlich. Eddie hatte dieses Getränk in aller Öffentlichkeit und mit dem sicheren Wissen gekauft, daß er von den Priestern des Zolls beobachtet wurde. Des weiteren wußte Roland instinktiv, daß er vergleichsweise wenig dafür bezahlt hatte. Sogar noch weniger als für die fleischgefüllten Belegten. Nein, Zucker war nicht Kokain, aber Roland konnte nicht begreifen, wie jemand in einer Welt, in der eine so starke Droge wie Zucker so reichlich und billig war, Kokain oder irgendeine andere illegale Droge begehren konnte.
    Er sah die Fleischbelegten wieder an und verspürte erste Regungen von Hunger… und erkannte voll Staunen und verwirrter Dankbarkeit, daß er sich besser fühlte.
    Das Getränk? Lag es daran? Am Zucker in dem Getränk?
    Das mochte ein Teil davon sein – aber ein geringer Teil. Zucker konnte die Kräfte neu beleben, wenn sie nachließen; das wußte er seit seiner Kindheit. Aber Zucker konnte keine Schmerzen lindern oder das Feuer im Leib löschen, wenn eine Infektion ihn in einen Brennofen verwandelt hatte. Doch genau das war mit ihm geschehen… geschah immer noch.
    Das konvulsivische Zittern hatte aufgehört. Der Schweiß auf seiner Stirn trocknete. Die Angelhaken, die seinen Hals aufgerauht hatten, schienen zu verschwinden. So unglaublich es war, es war auch eine unbestreitbare Tatsache, nicht nur Einbildung oder Wunschdenken. (Eine Frivolität wie das letztere hatte sich der Revolvermann seit unbekannten und unerfindlichen Jahrzehnten nicht mehr geleistet.)
    Seine fehlenden Finger und Zehen pulsierten und brüllten immer noch, aber er glaubte, daß auch diese Schmerzen gedämpft waren.
    Roland legte den Kopf zurück, machte die Augen zu und dankte Gott.
    Gott und Eddie Dean.
    Mach nicht den Fehler und schenke ihm dein Herz, Roland,

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