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Der dunkle Turm - Gesamtausgabe

Der dunkle Turm - Gesamtausgabe

Titel: Der dunkle Turm - Gesamtausgabe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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umwarfen, aber Pimlis Leute überwachten die Brecher sorgfältig, und Ausbrüche, die als »mutwillig« eingeschätzt wurden, wurden bestraft – bei Ersttätern leicht, bei Wiederholungstätern in zunehmendem Maße strenger. Und wie Pimli Neuankömmlinge gern belehrt hatte (in der guten alten Zeit, als es noch Neuankömmlinge gegeben hatte): »Eure Sünde verrät euch, verlasst euch darauf.« Finlis Glaubensgrundsatz war sogar noch schlichter: Telemetrie lügt nicht.
    Heute fanden sie in den Telemetrieausdrucken nur flüchtige Impulse. Sie waren so bedeutungslos, wie es eine vierstündige Tonaufzeichnung der Furze und Rülpser einer x-beliebigen Gruppe gewesen wäre. Auch die Videobänder und die Diensttagebücher der Streifen förderten nichts Interessantes zutage.
    »Zufrieden, Sai?«, fragte Finli, und irgendetwas in seinem Ton veranlasste Pimli dazu, sich ruckartig umzudrehen und ihn anzustarren.
    »Bist du es denn?«
    Finli o’ Tego seufzte. Bei solchen Gelegenheiten wünschte Pimli sich, Finli wäre ein Hume oder er selbst ein echter Taheen. Das Problem waren Finlis ausdruckslose schwarze Augen. Sie glichen fast den Knopfaugen einer Stoffpuppe, und es war einfach unmöglich, in ihnen etwas zu lesen. Außer vielleicht für einen anderen Taheen.
    »Ich bin seit Wochen nicht mehr richtig auf dem Damm«, sagte Finli schließlich. »Ich trinke zu viel Graf , um einschlafen zu können, schleppe mich dann durch den Tag und beiße Leuten den Kopf ab. Teilweise schuld daran ist der Ausfall der Nachrichtenverbindungen, seit der vorige Balken gebrochen ist …«
    »Du weißt, dass das unvermeidlich war …«
    »Ja, natürlich weiß ich das. Ich will damit bloß sagen, dass ich versuche, rationale Erklärungen für irrationale Gefühle zu finden, und das ist nie ein gutes Zeichen.«
    An der Rückwand des Raums hing ein Bild der Niagarafälle. Irgendein Can-Toi-Wächter hatte es umgekehrt aufgehängt. Die niederen Männer hielten das Umdrehen von Bildern für den absoluten Gipfel des Humors. Pimli hatte keine Ahnung, weshalb. Aber war das letztlich nicht scheißegal? Ich verstehe mich auf meinen beschissenen Job, dachte er, während er die Niagarafälle richtig herum aufhängte. Ich verstehe mich darauf, und nur das ist wichtig, sage Gott und dem Jesusmenschen meinen Dank.
    »Wir wissen von jeher, dass es gegen Ende verrückt zugehen wird«, sagte Finli, »also rede ich mir ein, dass nicht mehr dahintersteckt. Dieses … wie soll ich sagen …«
    »Dieses Gefühl, das du hast«, ergänzte der ehemalige Paul Prentiss. Dann grinste er und legte den rechten Zeigefinger über einen mit Daumen und Zeigefinger der linken Hand gebildeten Kreis. Diese Geste der Taheen bedeutete: Ich sage die Wahrheit. »Dieses irrationale Gefühl.«
    »Yar. Ich weiß natürlich, dass der Blutende Löwe nicht wieder im Norden erschienen ist, und glaube auch nicht, dass die Sonne von innen heraus abkühlt. Ich habe erzählen hören, der Scharlachrote König sei wahnsinnig geworden und der Dan-Tete sei gekommen, um seinen Platz einzunehmen, kann dazu aber nur sagen: ›Das glaube ich, wenn ich’s sehe.‹ Das gilt auch für diese tolle Nachricht, irgendein Revolvermann sei aus Westen gekommen, um den Turm zu retten, wie es die alten Märchen und Lieder voraussagen. Bockmist, alles nur Bockmist.«
    Pimli klopfte ihm wieder auf die Schulter. »Tut meinem Herzen wohl, dich das sagen zu hören!«
    Das tat es wirklich. In seiner Amtszeit als Sicherheitschef hatte Finli o’ Tego verdammt gute Arbeit geleistet. Im Lauf der Jahre hatte sein Sicherheitskader ein halbes Dutzend Brecher liquidieren müssen – alles heimwehkranke Dummköpfe, die zu fliehen versucht hatten –, und bei zwei weiteren hatte eine Leukotomie vorgenommen werden müssen, aber Ted Brautigan war der Einzige, der es tatsächlich »unter dem Zaun« (diesen Ausdruck hatte Pimli aus dem Film Stalag 17) hindurchgeschafft hatte, aber auch ihn hatten sie zu guter Letzt zurückgeholt, bei Gott. Die Can-Toi brüsteten sich damit, und der Sicherheitschef ließ sie gewähren, aber Pimli kannte die Wahrheit: Es war Finli gewesen, der von Anfang bis Ende jeden einzelnen Schritt choreographiert hatte.
    »Aber dieses Gefühl, das ich da habe, könnte mehr als nur eine Nervensache sein«, fuhr Finli fort. »Ich bin nämlich tatsächlich der Überzeugung, dass bestimmte Leute manchmal echte Intuitionen haben können.« Er lachte. »Wie könnte man an einem Ort, an dem es wie hier von Präkognitiven

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