Der dunkle Turm - Gesamtausgabe
im Schacht ratterte. Falls sie stehen blieb, würde der Ausstieg durch die Deckenluke kein Problem sein, nicht einmal für einen etwas übergewichtigen (na ja … ziemlich übergewichtigen) Typen wie Prentiss. Das Damli House war nicht gerade ein Wolkenkratzer, und zudem waren immer reichlich Helfer zur Hand.
Sie erreichten den zweiten Stock, wo das Warnschild auf der Innenseite der geschlossenen Aufzugtür richtig herum hing. Es besagte: NUR FÜR PERSONAL und BITTE SCHLÜSSEL BENUTZEN und FAHREN SIE SOFORT WIEDER HINUNTER, WENN SIE DIESE ETAGE VERSEHENTLICH ERREICHT HABEN. SIE WERDEN NICHT BESTRAFT, WENN SIE SICH SOFORT MELDEN.
Während Finli seine Schlüsselkarte herausholte, fragte er mit einer Beiläufigkeit, die durchaus gespielt sein konnte (zum Teufel mit seinen unergründlichen schwarzen Augen): »Hast du von Sai Sayre gehört?«
»Nein«, sagte Pimli (ziemlich ärgerlich), »aber ich rechne eigentlich auch nicht damit. Wir sind hier aus bestimmten Gründen isoliert; ebenso absichtlich in der Wüste vergessen wie die Atomwissenschaftler des Manhattan-Projekts damals in den Vierzigerjahren. Als ich ihn zuletzt gesehen habe, hat er mir erklärt, es könnte … na ja, das letzte Mal sein, dass ich ihn sehe.«
»Immer mit der Ruhe«, sagte Finli. »Ich hab bloß gefragt.« Er führte die Schlüsselkarte nach unten durch den Schlitz, worauf sich die Aufzugtür mit einem ziemlich höllischen Kreischen öffnete.
8
Bei dem Studiersaal handelte es sich um einen lang gestreckten, hohen Raum in der Mitte des Damli, der sich drei volle Stockwerke hoch bis zu einem Glasdach erhob, das dem schwer erarbeiteten Sonnenlicht des Algul Durchlass gewährte. Auf dem Balkon gegenüber der Tür, durch die Prentiss und der Taheen eintraten, war ein seltsames Dreierlei versammelt, das aus einem rabenköpfigen Taheen namens Jakli, einem Can-Toi-Techniker namens Conroy und zwei Hume-Wächtern bestand, deren Namen Pimli nicht gleich einfielen. Im Dienst kamen Taheen, Can-Toi und Humes mithilfe einer bemühten – und manchmal spröden – Höflichkeit miteinander aus, aber man erwartete nicht, sie außer Dienst geselligen Umgang pflegen zu sehen. Eigentlich war der Balkon eine strikte Sperrzone, was »geselligen Umgang« anging. Die Brecher im Saal waren weder Tiere im Zoo noch exotische Fische in einem Aquarium; das hatten Pimli (und auch Finli o’ Tego) dem Personal schon oft gepredigt. In all seinen hiesigen Jahren hatte der Oberaufseher von Algul Siento nur bei einem einzigen Mann seines Personals eine Leukotomie vornehmen lassen müssen: bei einem völlig idiotischen Hume-Wachmann namens David Burke, der die Brecher dort unten einmal tatsächlich mit etwas – waren es Erdnussschalen gewesen? – beworfen hatte. Als Burke merkte, dass der Oberaufseher im Ernst eine Leukotomie vornehmen lassen wollte, hatte er um eine zweite Chance gebettelt und hoch und heilig versprochen, nie wieder etwas so Dummes und Herabwürdigendes zu tun. Pimli hatte sich taub gestellt. Er hatte die Gelegenheit gesehen, ein Exempel zu statuieren, das Jahre, vielleicht sogar Jahrzehnte lang abschrecken würde, und sie ergriffen. Noch heute konnte man den jetzt wirklich idiotischen Mr. Burke sehen, wie er die Promenade entlangschlenderte oder zur Linken Grenze hinausspazierte, mit schlaffem Mund und einem halbwegs verwirrten Ausdruck in den Augen – ich weiß fast, wer ich bin, ich erinnere mich fast daran, was ich getan habe, um so zu enden, besagte dieser Blick. Er war ein lebendes Beispiel dafür, was man einfach nicht tat, wenn man sich in Gegenwart arbeitender Brecher befand. Aber es gab keine Vorschrift, die es dem Personal ausdrücklich verbot, sich auf dem Balkon aufzuhalten. Alle taten es von Zeit zu Zeit.
Weil es erfrischend war.
Zum einen machte der Aufenthalt in der Nähe arbeitender Brecher jedes Gespräch überflüssig. Was sie »guter Geist« nannten, setzte ein, sobald man den Saal im zweiten Stock von einer der beiden Seiten – von den beiden Aufzügen aus – betrat, und sowie man die Tür zum Balkon öffnete, fühlte man in seinem Kopf guten Geist aufblühen, der einem alle möglichen Arten von gegenständlicher Wahrnehmung eröffnete. Aldous Huxley, hatte Pimli sich bei mehr als einer Gelegenheit gesagt, hätte dort oben völlig durchgedreht. Manchmal spürte man, dass man sich mit den Füßen in eine Art halbherzigen Schwebezustand über den Boden erhob. Sachen, die man in den Taschen hatte, tendierten dazu, sich zu
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