Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der dunkle Turm - Gesamtausgabe

Der dunkle Turm - Gesamtausgabe

Titel: Der dunkle Turm - Gesamtausgabe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
Vom Netzwerk:
erheben und in der Luft zu schweben. Ehemals vertrackte Situationen schienen sich in dem Moment aufzulösen, in dem man sich auf sie konzentrierte. Hatte man etwas Nichtiges vergessen, beispielsweise einen Fünfuhrtermin oder den zweiten Vornamen seines Schwagers, war hier der Ort, an dem man sich wieder daran erinnern konnte. Und sogar wenn man merkte, dass man etwas richtig Wichtiges vergessen hatte, war man nie verzweifelt. Die Folken verließen den Balkon mit einem Lächeln auf dem Gesicht, selbst wenn sie in miesester Stimmung heraufgekommen waren (schlechte Laune war ein ausgezeichneter Grund dafür, den Balkon überhaupt erst aufzusuchen). Es war, als stiege von den Brechern dort unten ständig eine Art Glücksgas auf: unsichtbar und selbst mit höchstentwickelter Telemetrie nicht messbar.
    Die beiden grüßten zu den vieren auf dem Balkon hinüber, dann traten sie an die breite Brüstung aus dunklem Eichenholz und sahen hinab. Der Raum unter ihnen hätte die weitläufige Bibliothek eines durch üppige Stiftungen finanzierten ehrwürdigen Herrenclubs in London sein können. Sanft brennende Lampen, viele mit echten Tiffanyschirmen, standen auf Beistelltischen oder leuchteten von den Wänden (die natürlich in Eiche getäfelt waren). Der Parkettboden war mit exquisiten Orientteppichen ausgelegt. An einer Wand hing ein Matisse, an einer anderen ein Rembrandt … an einer dritten die Mona Lisa. Die echte im Gegensatz zu der Fälschung, die auf der Fundamentalen Welt im Louvre hing. Vor ihr stand ein Mann, der die Hände auf den Rücken gelegt hatte. Von hier oben sah es so aus, als würde er das Gemälde eingehend studieren – möglicherweise, um das berühmte geheimnisvolle Lächeln zu enträtseln –, aber Pimli wusste es besser. Auch die Männer und Frauen, die Zeitschriften in den Händen hielten, gaben nur zu lesen vor, wäre man nämlich unten bei ihnen gewesen, hätte man wahrgenommen, dass sie ausdruckslos über den oberen Rand ihrer McCall’s und Harper’s hinwegsahen oder knapp seitlich daran vorbeiblickten. Ein Mädchen von elf oder zwölf Jahren in einem wunderhübschen gestreiften Sommerkleid, das in einer Kinderboutique am Rodeo Drive in L. A. leicht sechzehnhundert Dollar hätte kosten können, saß am offenen Kamin vor einem Puppenhaus, wiewohl Pimli wusste, dass es die fein gearbeitete Nachbildung des Damli House überhaupt nicht beachtete.
    Dreiunddreißig von ihnen waren dort unten. Insgesamt dreiunddreißig. Um acht Uhr abends, eine Stunde nach dem Ausschalten der künstlichen Sonne, würden hier dreiunddreißig frische Brecher einziehen. Und es gab einen Kerl – nur diesen einzigen –, der, ganz wie es ihm passte, kam und ging. Ein Kerl, der sich unter dem Zaun davongemacht hatte und dafür nicht einmal bestraft worden war … außer natürlich, dass er hierher zurückgebracht worden war, was für diesen Mann Strafe genug war.
    Als ob der Gedanke ihn gerufen hätte, öffnete sich die Tür am Ende des Raums, und Ted Brautigan schlüpfte unauffällig herein. Er trug noch immer seine Tweedmütze. Daneeka Rostov sah von dem Puppenhaus auf und bedachte ihn mit einem Lächeln. Brautigan blinzelte ihr seinerseits zu. Pimli stieß Finli leicht an.
    Finli: (Ich sehe ihn)
    Aber sie sahen ihn nicht nur. Sie fühlten ihn. In dem Augenblick, in dem Brautigan den Raum betrat, spürten jene auf dem Balkon – und, was viel wichtiger war, diejenigen auf dem Parkett –, wie der Energiepegel stieg. Sie wussten noch immer nicht recht, was sie in Brautigan besaßen, und die Messgeräte halfen ihnen in diesem Punkt auch nicht weiter (der alte Fuchs hatte mehrere davon zum Durchbrennen gebracht, und das aus Absicht, da war sich Pimli ganz sicher). Falls es andere wie ihn gab, hatten die niederen Männer sie bei ihrer Jagd auf Talente nicht entdeckt; die Suche war inzwischen eingestellt worden, weil sie genügend Talente besaßen, um das Werk zu beenden. Etwas, was klar zu sein schien, war Brautigans Talent als Katalysator, als psychisch Begabter, der nicht nur selbst machtvoll war, sondern allein durch seine Nähe die Fähigkeiten anderer steigern konnte. Finlis Gedanken, die Sai Prentiss vor wenigen Augenblicken durchaus klar erschienen waren, leuchteten in seinem Kopf jetzt wie eine Neonreklame. Und, dessen war er sich sicher, das galt auch umgekehrt.
    Finli: (Er ist außergewöhnlich)
    Pimli: (Und unseres Wissens einzigartig         Hast du diese Sache gesehen)
    Bild: Augen, die größer und

Weitere Kostenlose Bücher