Der dunkle Turm - Gesamtausgabe
hat, mich umzubringen.‹ Für Sheemies Verhältnisse war das geradezu eine lange Rede.
Ich schloss die Augen und ging hindurch. Ich hatte einen Augenblick lang das Gefühl, auf dem Kopf zu stehen, aber das war alles. Kein Glockenspiel, keine Übelkeit. Eigentlich ganz angenehm, zumindest im Vergleich zu dem Durchgang in Santa Mira. Ich landete auf allen vieren neben einem viel befahrenen Highway. Im Buschwerk in meiner Nähe hing eine alte Zeitung. Ich griff danach und stellte fest, dass ich mindestens im April 1960 gelandet war – fast fünf Jahre nach dem Tag, an dem Armitage und seine Freunde uns durch die Tür in Santa Mira gelotst hatten – und zudem auf der anderen Seite Amerikas. Ich hielt jedenfalls ein Blatt der Zeitung Hartford Courant in der Hand. Und der Highway erwies sich schließlich als der Merritt Parkway.«
»Sheemie kann magische Türen machen!«, rief Roland aus. Er hatte seinen Revolver gereinigt, während er zuhörte, aber jetzt legte er ihn beiseite. »Das verstehe ich unter Teleportation! Darum geht’s dabei!«
»Pst, Roland«, sagte Susannah. »Er erzählt jetzt bestimmt gleich, was er in Connecticut erlebt hat. Den Teil möchte ich mir nicht entgehen lassen.«
11
Aber niemand soll Teds Abenteuer in Connecticut zu hören bekommen. Er bezeichnet es einfach als »eine Geschichte für einen anderen Tag« und erzählt seinen Zuhörern, dass er in Bridgeport geschnappt wurde, während er versuchte, genügend Geld zusammenzubekommen, um endgültig verschwinden zu können. Die niederen Männer packten ihn in einen Wagen, fuhren mit ihm nach New York und schleppten ihn in ein Spareribs-Lokal namens Dixie Pig. Von dort aus nach Fedic, von Fedic zum Bahnhof Donnerschlag; vom Bahnhof schnurstracks ins Devar-Toi zurück, ach, Ted, schön, Sie zu sehen, willkommen zu Hause.
Das vierte Tonband ist jetzt zu drei Vierteln abgelaufen, und Teds Stimme ist kaum lauter als ein Krächzen. Trotzdem macht er tapfer weiter.
»Ich war nicht lange fort gewesen, aber hier drüben hatte die Zeit einen ihrer willkürlichen Sprünge vorwärts gemacht. Humma o’ Tego war abgesetzt worden, vermutlich meinetwegen, und Prentiss aus New Jersey, der Ki’-dam, war an seine Stelle getreten. Finli und er haben mich im Haus des Oberaufsehers ein ums andere Mal verhört. Es gab keine körperlichen Misshandlungen – wahrscheinlich hielten sie mich weiter für zu wichtig, um mir irgendwie Schaden zufügen zu wollen –, aber Unannehmlichkeiten und eine Menge psychologischer Spielchen waren dabei. Außerdem machten sie mir klar, dass meine Freunde in Connecticut umgebracht werden würden, wenn ich jemals wieder einen Fluchtversuch unternehmen würde. Ich sagte daraufhin: ›Kapiert ihr das denn nicht, Jungs? Wenn ich weiter meine Arbeit tue, ist ohnehin Schluss mit ihnen. Dann ist mit jedermann Schluss, außer vielleicht mit dem, den ihr den Scharlachroten König nennt.‹
Prentiss legte in seiner lästigen Art die gestreckten Hände zusammen und sagte: ›Das mag stimmen oder auch nicht, Sai, aber sollte es dazu kommen, werden wir nicht leiden, wenn’s ’mit uns Schluss ist’, wie Sie’s ausdrücken. Aber der kleine Bobby und die kleine Carol … von Carols Mutter und Bobbys Freund Sully-John ganz zu schweigen …‹ Er brauchte den Satz nicht zu Ende zu bringen. Ich frage mich noch immer, ob ihnen bewusst war, in welch schreckliche Angst sie mich mit dieser Drohung gegen meine jungen Freunde versetzten. Und wie schrecklich wütend sie mich machten.
Alle ihre Fragen kreisten letztlich um zwei Dinge, die sie wirklich wissen wollten: Weshalb ich abgehauen war und wer mir dabei geholfen hatte. Ich hätte bei der alten Name-Dienstgrad-Stammnummer-Masche bleiben können, aber ich entschied mich für das Risiko, etwas mitteilsamer zu sein. Ich hatte abhauen wollen, sagte ich, weil mir die Gedanken eines Can-Toi eine Ahnung davon vermittelt hatten, was wir hier wirklich taten, und mir die Vorstellung davon nicht gefallen hatte. Was die Frage betraf wie ich rausgekommen war, behauptete ich, das nicht zu wissen. Ich sei eines Abends eingeschlafen, sagte ich, und irgendwie neben dem Merritt Parkway aufgewacht. Nachdem sie anfangs über diese Geschichte gespottet hatten, glaubten sie sie zuletzt halbwegs, was vor allem daran lag, dass ich später kein Jota mehr davon abwich, auch wenn sie mich noch so oft ausquetschten. Und sie wussten natürlich bereits, wie stark ich begabt war – und wie anders als die
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