Der dunkle Turm - Gesamtausgabe
tot aus. Dann sah er zwei Gestalten, aus dieser Entfernung kaum mehr als Punkte, die aufeinander zuschlenderten. Hume-Wachen, vermutete er, die entlang dem äußeren Zaun patrouillierten. Sie vereinigten sich lange genug zu einem einzigen Punkt, dass Jake sich ein kurzes Palaver vorstellen konnte, und dann trennten sie sich wieder. »Keine Pickel, aber die Hüfte tut mir verdammt weh. Fühlt sich an, als hätte jemand sie nachts geöffnet und mit Glassplittern gefüllt. Mit glühenden Splittern. Das mit dem Schädel ist allerdings noch schlimmer.« Er berührte die rechte Kopfseite. »Als ob er einen Sprung hätte.«
»Glaubst du denn wirklich, dass du Stephen Kings Verletzungen spürst?«
Statt mit Worten zu antworten, legte Roland den linken Zeigefinger quer auf den Kreis, den er mit Daumen und kleinem Finger seiner Rechten bildete: eine Geste, die Ich sage dir die Wahrheit bedeutete.
»Das ist mies«, sagte Jake. »Für ihn wie für dich.«
»Vielleicht, vielleicht auch nicht. Denk darüber nach, Jake; denk gut darüber nach. Was ich spüre, lässt darauf schließen, dass King nicht sofort tot sein wird. Und das bedeutet, dass er unter Umständen leichter zu retten ist.«
Jake meinte, dass das möglicherweise nur bedeutete, dass King einige Zeit halb bewusstlos neben der Straße liegen würde, bevor er starb, aber das wollte er lieber nicht sagen. Roland sollte ruhig glauben, was er wollte. Aber da war noch etwas anderes. Etwas, was Jake selbst betraf und ihn weit mehr beunruhigte.
»Roland, kann ich dan-dinh mit dir sprechen?«
Der Revolvermann nickte. »Wenn du willst.« Eine kleine Pause. Ein Zucken des linken Mundwinkels, das nicht ganz ein Lächeln war. »Wenns beliebt.«
Jake nahm all seinen Mut zusammen. »Wieso bist du derzeit so zornig? Worauf bist du zornig? Oder auf wen?« Nun machte er eine Pause. »Etwa auf mich?«
Roland zog die Augenbrauen hoch, dann lachte er bellend. »Nicht auf dich, Jake. Kein bisschen. Nie im Leben.«
Jake wurde vor Freude rot.
»Ich vergesse oft, wie stark deine Gabe sich entwickelt hat. Du hättest bestimmt einen erstklassigen Brecher abgegeben.«
Das war zwar keine Antwort, aber Jake verzichtete darauf, das zu erwähnen. Bei der Vorstellung, ein Brecher zu sein, musste er zudem einen Schauder unterdrücken.
»Weißt du’s nicht?«, sagte Roland. »Wo du doch weißt, dass ich das bin, was Eddie stinksauer nennt, wirst du doch bestimmt auch wissen, warum, oder nicht?«
»Ich könnte nachsehen, aber das wäre unhöflich.« Dahinter steckte jedoch noch mehr. Jake konnte sich verschwommen an eine Geschichte aus der Bibel erinnern, eine über Noah, der sich in der Arche die Kante gegeben hatte, während seine Söhne und er darauf warteten, dass die Sintflut sich verlief. Einer der Söhne war auf den Alten gestoßen, der betrunken in seiner Koje lag, und hatte ihn verlacht. Dafür hatte Gott den Sohn verflucht. Einen Blick in Rolands Gedanken zu werfen war nicht das Gleiche, wie ihn anzusehen – und ihn zu verlachen –, während er betrunken war, aber es kam nahe heran.
»Du bist ein guter Junge«, sagte Roland. »Brav und gut, aye.« Und obwohl der Revolvermann fast geistesabwesend gesprochen hatte, hätte Jake in diesem Augenblick glücklich und zufrieden sterben können. Irgendwo in weiter Ferne über ihnen ertönte das hallende Klick!, und gleichzeitig flammte die Spezialeffekte-Sonne über dem Devar-Toi wieder auf. Im nächsten Augenblick hörten sie leise Musik heraufschallen: »Hey Jude«, arrangiert für Aufzug und Supermarkt. Für die dort unten hieß es jetzt: Raus aus den Federn! Soeben war ein weiterer Brechertag angebrochen. Jake vermutete allerdings, dass das Brechen dort unten zu keinem Zeitpunkt richtig unterbrochen wurde.
»Komm, wir spielen ein Spiel, du und ich«, sagte Roland. »Du versuchst, in meinen Kopf einzudringen und zu erkennen, auf wen ich zornig bin. Ich versuche, dich daran zu hindern.«
Jake veränderte seine Haltung leicht. »Das klingt nicht nach einem lustigen Spiel, finde ich, Roland.«
»Trotzdem möchte ich’s gern gegen dich spielen.«
»Also gut, wie du willst.«
Jake schloss die Augen und rief ein Bild von Rolands müdem, stoppelbärtigem Gesicht auf. Seine leuchtenden blauen Augen. Er stellte sich eine Tür zwischen und etwas oberhalb dieser Augen vor – eine kleine Tür mit einem Messingknopf – und versuchte sie dann zu öffnen. Der Knopf ließ sich kurz drehen. Als er sich nicht weiterdrehte, verstärkte Jake
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