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Der dunkle Turm - Gesamtausgabe

Der dunkle Turm - Gesamtausgabe

Titel: Der dunkle Turm - Gesamtausgabe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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Wenn es sich hier um eine Fährte handelte, stammte sie bestimmt nicht von einem Menschen. Aber auch nicht von einem Wüstenhund.
    »Weißt du, von wem die Spuren sind?«, fragte Jake. »Dann sag’s einfach, bevor ich es durch Armdrücken aus dir rausholen muss.«
    Roland grinste flüchtig. »Geh ihnen ein Stück weit nach. Sieh zu, was du finden kannst.«
    Jake stand auf, folgte langsam der Fährte und ging dabei vornübergebeugt wie ein Junge, der schlimmes Bauchweh hatte. Die Spuren im Gesteinsschutt führten um einen Felsblock herum. Auf dem Felsen lag Staub, in dem sich Kratzer abzeichneten, als hätte etwas Borstiges im Vorbeigehen den Felsblock gestreift.
    Außerdem fanden sich dort einige schwarze Haarborsten.
    Jake griff nach einer davon, öffnete dann aber sofort wieder die Finger und blies die Borste von seiner Haut, während er sich vor Ekel schüttelte. Roland beobachtete das alles aufmerksam.
    »Du siehst aus, als hättest du ein Gespenst gesehen.«
    »Das war abscheulich!« Jake hörte sich leicht stottern. »O Gott, was war das? W-w-was hat hier gelauert?«
    »Der eine, den Mia Mordred genannt hat.« Rolands Stimme klang unverändert, aber Jake merkte, dass er sich kaum dazu überwinden konnte, dem Revolvermann in die Augen zu sehen; so düster war ihr Blick. »Der kleine Kerl, den ich gezeugt haben soll.«
    »Er war hier? In der Nacht?«
    Roland nickte.
    »Und hat uns belauscht, unser …?« Jake konnte den Satz nicht zu Ende bringen.
    Roland tat es an seiner Stelle. »Er hat unser Palaver und unsere Pläne belauscht, aye, das glaube ich. Und auch Teds Erzählung.«
    »Aber du weißt es nicht bestimmt. Die Spuren könnten von allen möglichen Tieren stammen.« Trotzdem konnte Jake, seit er Susannahs Geschichte gehört hatte, im Zusammenhang mit dieser Fährte nur an eine Spinne denken. An die Beine einer Monsterspinne.
    »Geh ein Stück weiter«, sagte Roland.
    Jake sah ihn fragend an, und Roland nickte aufmunternd. Der Wind wehte, trug anspruchslose Hintergrundmusik aus dem Gefängniskomplex zu ihnen herauf (jetzt glaubte er »Bridge Over Troubled Water« zu erkennen) und brachte zugleich fernen Donner mit, der wie rollende Knochen klang.
    »Was …«
    »Geh ihnen nach«, sagte Roland und nickte den mit losem Geröll bedeckten Pfad entlang.
    Jake tat wie geheißen. Er wusste, dass es sich hier um eine weitere Lektion handelte – bei Roland war man immer in der Schule. Selbst wenn man im Schatten des Todes stand, gab es noch etwas zu lernen.
    Hinter dem Felsblock verlief der Pfad ungefähr fünfundzwanzig Meter weit fast waagrecht, bevor er sich wieder außer Sicht schlängelte. Auf dieser Geraden waren die Abdrücke sehr deutlich zu sehen: Dreiergruppen auf der einen, Vierergruppen auf der anderen Seite.
    »Sie hat gesagt, dass sie ihm ein Bein abgeschossen hat«, sagte Jake.
    »Ganz recht.«
    Jake versuchte, sich eine siebenbeinige Spinne von der Größe eines Menschenbabys vorzustellen, schaffte es aber nicht. Er vermutete, dass er es auch gar nicht wollte.
    Hinter der nächsten Biegung lag ein ausgetrockneter Tierkadaver auf dem Weg. Jake war sich ziemlich sicher, dass dem Tier der Leib aufgerissen worden war, was jetzt aber nur noch schwer festzustellen war. Es gab keine Eingeweide, kein Blut, keine summenden Fliegen. Nur einen Klumpen aus schmutzigem, staubigem Material, das vage – sehr vage – an etwas Hundeähnliches erinnerte.
    Oy kam heran, schnüffelte kurz, hob dann ein Bein und pinkelte auf die Überreste. Danach kehrte er mit einer Miene zu Jake zurück, als hätte er etwas sehr Wichtiges erledigt.
    »Das war gestern das Abendessen unseres Besuchers«, sagte Roland.
    Jake sah sich um. »Beobachtet er uns jetzt im Moment? Was glaubst du?«
    »Ich glaube, dass Jungs, die noch wachsen, viel Schlaf brauchen«, sagte Roland.
    Jake spürte einen Stich wie von irgendeinem unerfreulichen Gefühl, hakte es aber sofort ab, ohne sich gründlich damit zu beschäftigen. Eifersucht? Bestimmt nicht. Wie konnte er auf ein Ungeheuer eifersüchtig sein, eines, das sein Leben damit begonnen hatte, die eigene Mutter aufzufressen. Es war mit Roland blutsverwandt, das ja – sein richtiger Sohn, wenn man pingelig sein wollte –, aber das war nicht mehr als ein Zufall.
    Oder nicht?
    Jake merkte, dass Roland ihn aufmerksam beobachtete, ihn auf eine Weise ansah, die ihm unbehaglich war.
    »Woran denkst du gerade?«, sagte der Revolvermann.
    »An nichts Besonderes«, sagte Jake. »Ich frage mich nur, wo er

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