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Der dunkle Turm - Gesamtausgabe

Der dunkle Turm - Gesamtausgabe

Titel: Der dunkle Turm - Gesamtausgabe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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Schnellstraße hören. »Vorläufig«, fügte er hinzu.
    »Oh«, sagte sie mit dünner Stimme. »Gut.«
    Seine Hand auf ihrer Brust. Sein Atem in ihrem Nacken. Nach unbestimmbar langer Zeit – eine Stunde oder vielleicht auch nur fünf Minuten – wurden seine Atemzüge länger. Da wusste sie, dass er eingeschlafen war. Sie war erfreut und enttäuscht zugleich. Wenige Minuten später schlief auch sie ein, und es folgte ihr erholsamster Schlaf seit Jahren. Falls er Albträume von seinen toten Freunden hatte, störte er sie nicht damit. Als sie aufwachte, war es fast acht Uhr, und er stand nackt am Fenster und sah durch den Vorhang hinaus, den er mit dem Finger einen Spalt weit geöffnet hatte.
    »Hast du schlafen können?«, fragte sie ihn.
    »Etwas. Fahren wir weiter?«
     
     

15
     
    Sie hätten um drei Uhr nachmittags in Manhattan sein können, und die Fahrt in die Stadt wäre am Sonntag viel einfacher als am Montagmorgen im Berufsverkehr gewesen, aber New Yorker Hotelzimmer waren teuer, und selbst für ein Doppelzimmer hätte sie eine Kreditkarte benutzen müssen. Also übernachteten sie stattdessen in einem Motel 6 in Harwich, Connecticut. Sie nahm nur ein Zimmer, und in dieser Nacht liebte er sie. Nicht unbedingt, weil er es selbst wollte, das konnte sie spüren, sondern weil er begriff, dass sie es wollte. Es vielleicht brauchte.
    Es war ein außergewöhnliches Erlebnis, obwohl sie nicht genau hätte sagen können, weshalb; trotz all der Narben, die sie unter ihren Händen spürte – manche rau, manche glatt –, hatte sie irgendwie das Gefühl, eine Traumgestalt zu lieben. Und in dieser Nacht träumte sie dann auch tatsächlich. Sie träumte von einem Feld voller Rosen, an dessen anderem Ende sich ein gewaltiger Turm aus schiefrigen schwarzen Steinen erhob. Ungefähr auf halber Höhe glühten rote Lichter … nur ahnte sie, dass dies keine Lichter, sondern Augen waren.
    Schreckliche Augen.
    Sie hörte viele singende Stimmen, tausende von Stimmen, und begriff, dass dies die Stimmen seiner toten Freunde waren. Sie wachte mit tränennassen Wangen und dem Gefühl auf, einen Verlust erlitten zu haben, obwohl er noch neben ihr lag. Nach dem heutigen Tag würde sie ihn nicht wiedersehen. Was für alle das Beste sein würde. Trotzdem hätte sie jedes Opfer gebracht, um noch einmal von ihm geliebt zu werden, obwohl sie erkannte, dass er eigentlich nicht sie geliebt hatte; auch als er sich in sie ergossen hatte, war er in Gedanken weit fort, bei diesen Stimmen gewesen.
    Diesen verlorenen Stimmen.

Kapitel III

W IEDER IN N EW Y ORK
    (R OLAND WEIST SICH AUS )
1
     
    Am Morgen des 21. Juni 1999, einem Montagmorgen, schien die Sonne über New York City, gerade so als läge Jake Chambers nicht tot in der einen Welt und Eddie Dean in einer anderen; als läge Stephen King nicht im Klinikum Lewiston auf der Intensivstation und käme jeweils nur für kurze Zeit wieder zu Bewusstsein; als säße Susannah Dean nicht mit ihrem Kummer allein in einem Zug, der auf unsicheren alten Gleisen durchs dunkle Wüstenland Donnerschlag zur Geisterstadt Fedic raste. Es hatte welche gegeben, die entschlossen gewesen waren, sie auf ihrer Reise wenigstens bis dorthin zu begleiten, aber Susannah hatte jene gebeten, ihr etwas Freiraum zu lassen, und man hatte ihren Wunsch respektiert. Sie wusste, dass sie sich besser fühlen würde, wenn sie weinen konnte, was sie bisher allerdings nicht geschafft hatte – ein paar zufällige Tränen, bedeutungslose Schauer in der Wüste, waren das Beste, was sie hatte hervorbringen können –, obwohl sie das grässliche Gefühl hatte, dass alles weit schlimmer war, als sie sich ausdenken konnte.
    Scheiße, das is kein »Gefühl«, krähte Detta verächtlich aus ihrem Innersten, während Susannah in dunkles, felsiges Wüstenland und auf vereinzelte Ruinen von Dörfern und Kleinstädten hinausstarrte, die verlassen worden waren, als die Welt sich weiterbewegt hatte. Du hast ’ne regelrechte Intuizjon, Mädel! Die einzige Frage, wo du nich beantwortn kannst, is doch, ob der olle Lange, Große und Hässliche oder der junge holde Knabe jetz dein Mann auf der Lichtung besuchen.
    »Bitte, nicht«, murmelte sie. »Bitte keiner von beiden, Gott, ich kann keinen weiteren Tod ertragen.«
    Aber Gott blieb ihrem Flehen gegenüber taub, Jake blieb tot, der Dunkle Turm blieb am Ende des Can’-Ka No Rey stehen, warf seinen Schatten über eine Million laut singender Rosen, und in New York brannte die heiße Sommersonne

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