Der dunkle Turm - Gesamtausgabe
Weise festzustellen, nachdem seine lähmenden Hüftschmerzen nun verschwunden waren. Stephen King hatte jetzt diese Schmerzen – und die von seinen gebrochenen Rippen und der rechten Kopfseite, wo er sich den Schädel gebrochen hatte. Roland beneidete ihn nicht um diese Schmerzen, aber sie waren jetzt wenigstens wieder bei ihrem rechtmäßigen Eigentümer.
»Auf geht’s«, sagte er.
3
Eine Viertelstunde später stand er auf der anderen Straßenseite dem großen dunklen Gebäude gegenüber, das bis in den Sommerhimmel aufragte, und konnte nur mühsam verhindern, dass ihm der Mund offen stand, dass ihm die Kinnlade möglicherweise vielleicht bis zur Brust aufklappte. Das hier war nicht der Dunkle Turm, zumindest nicht sein Dunkler Turm (obwohl es ihn nicht überrascht hätte, dass manche der im Himmelsturm dort drüben arbeitenden Leute – einige von ihnen Leser von Rolands Abenteuern – dem Gebäude Hammarskjöld Plaza Nr. 2 eben diesen Namen gegeben hatten), aber er zweifelte keinen Augenblick daran, dass dies der Vertreter des Turms in der Fundamentalen Welt war, nicht anders als die hiesige Rose ein ganzes Feld voller Rosen vertrat: das Feld, das er in so vielen Träumen gesehen hatte.
Trotz des Verkehrslärms konnte er die singenden Stimmen schon von hier aus hören. Die Frau musste dreimal seinen Namen sagen und ihn schließlich am Ärmel zupfen, um seine Aufmerksamkeit zu wecken. Als er sich ihr – widerstrebend – zuwandte, sah er, dass sie nicht den Turm auf der gegenüberliegenden Straßenseite betrachtete (sie war eine Stunde von Manhattan entfernt aufgewachsen, und Wolkenkratzer waren für sie ein alter Hut), sondern den Minipark auf ihrer Straßenseite. Aus ihrem Gesichtsausdruck sprach Begeisterung. »Ist das nicht ein wunderschöner kleiner Park? Ich war bestimmt schon hundertmal an dieser Ecke, aber heute fällt er mir zum ersten Mal so richtig auf. Siehst du den Springbrunnen da? Guck nur, die Schildkrötenskulptur.«
Er sah es. Und obwohl Susannah ihnen diesen Teil ihrer Erlebnisse nicht erzählt hatte, wusste Roland, dass sie hier gewesen war – gemeinsam mit Mia, niemands Tochter – und auf der Bank ganz in der Nähe des nassen Schildkrötenpanzers gesessen hatte. Er konnte sie fast dort sitzen sehen.
»Ich würde gern hineingehen«, sagte sie schüchtern. »Können wir? Reicht die Zeit?«
»Ja«, sagte er und folgte ihr durch das kleine schmiedeeiserne Gatter.
4
In dem Minipark war es friedlich, aber nicht völlig still.
»Hörst du auch Leute singen?«, fragte Mrs. Tassenbaum mit einer Stimme, die kaum mehr als ein Flüstern war. »Einen Chor von irgendwoher?«
»Darauf kannst du deinen letzten Dollar verwetten«, antwortete Roland, bereute das aber sofort. Die Redensart hatte er von Eddie, und es schmerzte, dessen Worte zu sprechen. Er trat zur Schildkröte und ließ sich dort auf ein Knie nieder, um sie genauer betrachten zu können. Von ihrem Maul fehlte ein winziges Stück, so als hätte sie dort eine Art Zahnlücke. Auf dem Panzer war ein Kratzer zu sehen, der wie ein Fragezeichen aussah, und verblassende rosa Buchstaben.
»Was steht da?«, fragte Irene Tassenbaum. »Irgendwas von einer Schildkröte, aber mehr kann ich nicht entziffern.«
»›Sieh der SCHILDKRÖTE gewaltige Pracht.‹« Das wusste er, ohne es lesen zu müssen.
»Was bedeutet das?«
Roland stand auf. »Mehr, als ich dir im Augenblick erklären kann. Möchtest du hier auf mich warten, während ich dort drüben hineingehe?« Er nickte zu dem Turm hinüber, dessen schwarze Glasfassade in der Sonne glänzte.
»Ja«, sagte sie, »gern. Ich bleib einfach hier auf der Bank in der Sonne sitzen und warte auf dich. Es ist … erfrischend. Klingt das verrückt?«
»Nein«, sagte er. »Sollte dich jemand ansprechen, dessen Aussehen du nicht traust, Irene – das ist zwar wenig wahrscheinlich, weil das hier ein sicherer Ort ist, aber immerhin denkbar –, konzentrierst du dich einfach ganz stark und rufst mich.«
Sie machte große Augen. »Redest du von ASW?«
Er wusste nicht, was die Abkürzung ASW bedeutete, aber er verstand, was sie damit meinte, und nickte.
»Das würdest du hören? Mich hören?«
Dafür konnte er natürlich nicht garantieren. Das Gebäude konnte mit Abschirmgeräten ausgestattet sein, die wie die Denkerkappen der Can-Toi funktionierten und das unmöglich machten.
»Ich glaube schon. Aber dass du belästigt wirst, ist wie gesagt unwahrscheinlich. Dies ist ein
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