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Der dunkle Turm - Gesamtausgabe

Der dunkle Turm - Gesamtausgabe

Titel: Der dunkle Turm - Gesamtausgabe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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als Eddie zwei Jahre alt war. Sie hatte beim ›Himmel-und-Hölle‹-Spiel auf dem Gehweg zugesehen, als es passiert war.
    Als Kind hatte Eddie manchmal an seine Schwester denken müssen, wenn er Mel Allen zuhörte, der die Spiele des Yankee Baseball Network kommentierte. Wenn jemand echt einen draufschlug, hatte Mel gebrüllt: »Ach du dickes Ei! Dem hat er’s aber gegeben! UND TSCHÜS!« Nun, der Betrunkene hatte es Gloria Dean gegeben, ach du dickes Ei, und tschüs. Gloria befand sich jetzt auf dem großen Oberdeck im Himmel, und es war nicht passiert, weil sie Pech gehabt hatte oder weil der Staat New York es nicht für notwendig erachtet hatte, dem Arsch nach seinem dritten Unfall unter Alkohol den Führerschein abzunehmen, nicht einmal weil Gott sich gerade gebückt hatte, um eine Erdnuß aufzuheben; es war passiert (wie Mrs. Dean ihren Söhnen hin und wieder einmal erklärte), weil niemand dagewesen war, der auf Gloria AUFGEPASST hatte.
    Henrys Aufgabe bestand darin, dafür zu sorgen, daß Eddie so etwas nie zustieß. Das war seine Aufgabe, und er erfüllte sie, aber es war nicht immer einfach. Darin waren sich Henry und Mrs. Dean einig, wenn auch sonst in nichts. Beide hatten Eddie regelmäßig daran erinnert, auf wieviel Henry verzichtet hatte, nur damit Eddie vor betrunkenen Fahrern und Wegelagerern und Junkies und möglicherweise sogar böswilligen Außerirdischen sicher war, die in unmittelbarer Nähe des Oberdecks herumfliegen mochten – Außerirdische, denen es jeden Augenblick einfallen konnte, mit atombetriebenen Düsenskiern von ihren UFOs herunterzukommen und kleine Jungs wie Eddie Dean zu entführen. Von daher war es falsch, Henry noch nervöser zu machen, als diese schreckliche Verantwortung ihn ohnehin schon gemacht hatte. Falls Eddie doch einmal etwas tat, das Henry noch nervöser machte, hatte Eddie auf der Stelle damit aufzuhören. Das war die Art, wie er es Henry vergelten konnte, daß dieser soviel Zeit geopfert hatte, um auf Eddie AUFZUPASSEN. Wenn man so darüber nachdachte, sah man ein, daß es ziemlich unfair war, etwas besser als Henry zu machen.
    Und dann gab es noch den unterschwelligen Grund. Dieser Grund (die Welt unter der Welt, könnte man sagen), war noch gewichtiger, weil man ihn niemals aussprechen konnte. Eddie konnte nicht zulassen, daß er in etwas besser als Henry war, denn Henry war größtenteils in nichts gut… abgesehen davon natürlich, auf Eddie AUFZUPASSEN.
    Henry lehrte Eddie, wie man Baseball spielt, auf dem Spielplatz bei dem Mietshaus, wo sie wohnten; dieses lag in einem Betonvorort, wo die Türme von Manhattan wie ein Traum am Horizont aufragten und der Unterhaltsscheck der Sozialhilfe König war. Eddie war acht Jahre jünger als Henry und viel kleiner, aber er war auch viel schneller. Er besaß ein natürliches Gefühl für das Spiel; wenn er mit dem Ball in den Händen auf dem rissigen, unebenen Beton des Spielfelds lief, schienen die Bewegungen in seinen Nervenenden zu zischen. Er war schneller, aber das war nicht der große Knüller. Der Knüller war, er war besser als Henry. Hätte er es nicht an den Ergebnissen der Spiele gesehen, an denen sie manchmal teilnahmen, hätte er es Henrys mörderischen Blicken und den brutalen Schlägen auf den Oberarm entnehmen können, die dieser manchmal hinterher auf dem Nachhauseweg austeilte. Diese Schläge waren angeblich Henrys kleine Scherze – »Und noch einen fürs Zusammenzucken!« rief er manchmal fröhlich, und dann wumm-wumm! mit einem ausgestreckten Knöchel auf Henrys Bizeps –, aber sie waren nicht wie Scherze. Sie waren wie Warnungen. Sie schienen Henrys Art zu sein, zu sagen: Du solltest mich lieber nicht austricksen, so daß ich dumm dastehe, wenn du zum Korb läufst, Bruderherz; du solltest lieber nicht vergessen, daß ich AUF DICH AUFPASSE.
    Dasselbe galt für das Lesen… Baseball… Ring-a-Levio… Mathe… sogar Seilhüpfen, und das war ein Mädchenspiel. Daß er in alledem besser war oder besser sein konnte, war ein Geheimnis, das er um jeden Preis hüten mußten. Weil Eddie der kleine Bruder war. Weil Henry auf ihn AUFPASSTE. Aber der wichtigste Teil des unterschwelligen Grundes war zugleich der einfachste: Das alles mußte geheimgehalten werden, weil Henry Eddies großer Bruder war und Eddie ihn abgöttisch bewunderte.
     
     

4
     
    Vor zwei Tagen, als Susannah ein Kaninchen häutete und Roland anfing, das Essen zuzubereiten, war Eddie südlich vom Lager im Wald gewesen. Er hatte einen

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