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Der dunkle Turm - Gesamtausgabe

Der dunkle Turm - Gesamtausgabe

Titel: Der dunkle Turm - Gesamtausgabe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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andauernd in den komischen Supermarktzeitungen ab, die Greta Shaw so gerne las, wenn sie sicher war, daß Jakes Mutter nicht in die Nähe kam – Zeitungen wie den National Enquirer oder Inside View. Nur handelte es sich bei der hellseherischen Eingebung stets um eine Art taktischen nuklearen Erstschlag – eine Frau, die von einem Flugzeugabsturz geträumt und ihre Reservierung storniert hatte, oder einen Mann, der träumte, daß sein Bruder in einer Fabrik gefangengehalten wurde, wo sie chinesische Glückskekse herstellten, was sich dann als Wahrheit entpuppte.
    Wenn die hellseherische Eingebung darin bestand, daß man wußte, als nächstes würde ein Stück von Kiss im Radio kommen, eine Frau hätte eine Puppe im roten Handtuch in ihrer Tasche von Bloomingdales und ein Brezelverkäufer würde eine Flasche Yoo-Hoo trinken, keine Dose, was konnte daran schon Aufregendes sein?
    Vergiß es, sagte er sich. Es ist vorbei.
    Eine tolle Idee, aber in der dritten Unterrichtsstunde wußte er, es war nicht vorbei; es fing gerade erst an. Er saß im Algebraunterricht für Anfänger und beobachtete Mr. Knopf, der einfache Gleichungen an der Tafel löste, und bemerkte mit zunehmendem Entsetzen, wie ein vollständiges Set neuer Erinnerungen in seinem Kopf an die Oberfläche kam. Es war, als würde man seltsame Gegenstände sehen, die langsam zur Oberfläche eines trüben Sees emporstiegen.
    Ich befinde mich an einem Ort, den ich nicht kenne, dachte er. Ich meine, ich werde ihn kennenlernen – oder ich hätte ihn kennengelernt, wenn mich der Cadillac überfahren hätte. Es ist das Rasthaus – aber der Teil von mir, der dort ist, weiß das noch nicht. Der Teil weiß nur, daß es irgendwo in der Wüste liegt und keine Menschen dort sind. Ich habe geweint, weil ich Angst habe. Und ich habe Angst, dies könnte die Hölle sein.
    Um drei Uhr, als er in Mid-Town Lanes eintraf, wußte er, er hatte die Pumpe im Stall gefunden und Wasser getrunken. Das Wasser war sehr kalt und schmeckte stark nach Mineralien. Bald würde er nach drinnen gehen und einen kleinen Vorrat Dörrfleisch in einem Zimmer finden, das einmal eine Küche gewesen war. Das wußte er so genau und unumstößlich, wie er wußte, daß der Brezelverkäufer eine Flasche Yoo-Hoo nehmen würde und daß die Puppe, die aus der Tasche von Bloomingdales lugte, blaue Augen hatte.
    Es war, als könnte er sich in der Zeit vorwärts erinnern.
    Er spielte an diesem Nachmittag nur zwei Runden Bowling – die erste mit 06, die zweite mit 87 Punkten. Als er am Tresen erschien, warf Timmy einen Blick auf seine Karte und sagte: »Scheint heute ein schwarzer Tag für dich zu sein, Kumpel.«
    »Du hast ja keine Ahnung«, sagte Jake.
    Timmy sah ihn eingehender an. »Alles klar? Du bist irgendwie blaß.«
    »Ich glaube, ich hab’ mir eine Grippe geholt.« Das schien irgendwie auch nicht gelogen zu sein. Etwas hatte er sich ganz sicher geholt.
    »Geh heim und leg dich ins Bett«, riet Timmy. »Trink eine Menge klare Flüssigkeit – Gin, Wodka, so was.«
    Jake lächelte pflichtschuldigst. »Vielleicht.«
    Er ging langsam nach Hause. New York erstreckte sich rings um ihn herum, New York in seinem verführerischsten Zustand – eine spätnachmittägliche Straßenserenade mit einem Musiker an jeder Ecke, alle Bäume in Blüte und anscheinend alle in bester Laune. Das alles sah Jake, aber er sah auch dahinter, sah sich geduckt im Schatten einer Küche, während der Mann in Schwarz wie ein grinsender Hund aus dem Brunnen im Stall trank, sah sich vor Erleichterung schluchzen, als der Mann – oder das Ding – schließlich weiterzog, ohne ihn zu entdecken, sah sich in tiefen Schlaf fallen, als die Sonne unterging und die Sterne aufgingen und wie verlorene Eiskristalle am dunklen, purpurnen Wüstenhimmel funkelten.
    Er betrat die Wohnung und ging in die Küche, um etwas zu essen zu holen. Er hatte keinen Hunger, aber es entsprach seiner Gewohnheit. Er war auf dem Weg zum Kühlschrank, als sein Blick auf die Vorratskammertür fiel und er stehenblieb. Plötzlich wurde ihm klar, das Rasthaus – und der ganze Rest dieser seltsamen anderen Welt, zu der er jetzt gehörte – lag hinter dieser Tür. Er mußte nur durchgehen und sich mit dem Jake vereinen, der bereits dort existierte. Die seltsame Verdopplung in seinem Verstand würde aufhören; die Stimmen, die endlos die Frage erörterten, ob er denn nun seit heute morgen 8 Uhr 25 tot war oder nicht, würden verstummen.
    Jake stieß die Vorratskammertür

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