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Der dunkle Turm - Gesamtausgabe

Der dunkle Turm - Gesamtausgabe

Titel: Der dunkle Turm - Gesamtausgabe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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mit beiden Händen auf.
    Ein sonniges, erleichtertes Lächeln breitete sich bereits auf seinem Gesicht aus… und gefror, als Mrs. Shaw, die im hinteren Teil der Vorratskammer auf einem Hocker stand, zu schreien anfing. Die Dose Tomatenmark, die sie in der Hand gehalten hatte, fiel auf den Boden. Sie schwankte auf dem Stuhl, und Jake sputete sich, sie zu stützen, ehe sie dem Tomatenmark Gesellschaft leisten konnte.
    »Moses im Binsenkorb!« keuchte sie und fuchtelte mit der Hand aufgeregt vor ihrem Hauskleid herum. »Johnny, du hast mir einen Heidenschrecken eingejagt!«
    »Tut mir leid«, sagte er. Das stimmte, aber er war auch zutiefst enttäuscht. Es war doch nur die Vorratskammer gewesen. Und dabei hätte er schwören können…
    »Was hast du überhaupt hier herumzuschleichen? Heute ist dein Bowlingtag. Ich habe frühestens in einer Stunde mit dir gerechnet! Ich habe deine Zwischenmahlzeit noch nicht gemacht, also rechne nicht damit!«
    »Macht nichts. Ich habe sowieso keinen Hunger.« Er bückte sich und hob die Dose auf, die sie fallen gelassen hatte.
    »Sollte man nicht meinen, so wie du hier reingestürzt bist«, grollte sie.
    »Ich habe gedacht, ich hätte eine Maus oder so was gehört. Sieht aus, als wären das nur Sie gewesen.«
    »Muß wohl.« Sie stieg vom Hocker herunter und nahm ihm die Dose ab. »Du siehst aus, als hättest du dir die Grippe geholt, Johnny.« Sie drückte ihm die Hand auf die Stirn. »Heiß bist du nicht, aber das muß nicht immer der Fall sein.«
    »Ich glaube, ich bin nur müde«, sagte Jake und dachte: Wenn es nur das wäre. »Vielleicht trinke ich nur ein Soda und sehe eine Weile fern.«
    Sie grunzte. »Möchtest du mir irgendwelche Aufgaben zeigen? Wenn ja, dann beeil dich. Ich bin heute spät dran mit dem Essen.«
    »Heute nicht«, sagte er. Er ging aus der Vorratskammer, holte sein Soda und schlenderte weiter ins Wohnzimmer. Er schaltete The Hollywood Squares ein und verfolgte geistesabwesend, wie die Stimmen zankten und neue Erinnerungen an diese staubige andere Welt an die Oberfläche kamen.
     
     

7
     
    Seine Mutter und sein Vater merkten nicht, daß etwas mit ihm los war – sein Vater kam sowieso erst um halb zehn nach Hause –, und das war Jake ganz recht. Er ging um zehn ins Bett, lag wach in der Dunkelheit und lauschte der Stadt vor dem Fenster: Bremsen, Hupen, heulende Sirenen.
    Du bist gestorben
    Bin ich gar nicht. Ich liege wohlbehalten hier in meinem Bett.
    Das spielt keine Rolle. Du bist gestorben, und du weißt es.
    Das Schlimme war, er wußte beides.
    Ich weiß nicht, welche Stimme wahr ist, aber ich weiß, ich kann so nicht weiterleben. Also hört auf, alle beide. Hört auf zu streiten und laßt mich in Ruhe. Okay? Bitte?
    Aber sie gaben keine Ruhe. Konnten es offenbar nicht. Und Jake dachte, daß er aufstehen sollte – jetzt gleich – und die Badezimmertür aufmachen.
    Die andere Welt würde dort sein. Das Rasthaus würde dort sein, und der Rest von ihm würde auch dort sein – unter einer uralten Decke im Stall, wo es nach Hitze und Salbei und Angst in einer Handvoll Staub roch, eine Welt, die jetzt unter dem Schattenflügel der Nacht lag. Ich kann es ihm sagen, aber das wird nicht nötig sein… denn ich werde IN ihm sein… ich werde ER sein!
    Er lief durch sein dunkles Zimmer und lachte fast vor Erleichterung und stieß die Tür auf. Und…
    Und es war das Bad. Nur sein Bad, wo das gerahmte Poster von Marvin Gaye an der Wand hing und die Jalousie ein Streifenmuster aus Licht und Schatten auf den Kachelboden warf.
    Er stand eine ganze Weile da und versuchte, seine Enttäuschung zu schlucken. Sie wich nicht. Und sie war bitter.
    Bitter.
     
     

8
     
    Die drei Wochen zwischen damals und heute erstreckten sich in Jakes Erinnerung wie eine grimmige Einöde – ein alptraumhaftes wüstes Land, wo es keinen Frieden, keine Ruhe, kein Entkommen von der Qual gab. Er hatte alles beobachtet – wie ein hilfloser Gefangener, der auf eine Stadt hinabsah, die er einmal beherrscht hatte –, während sein Verstand unter dem zunehmenden Druck der Phantomstimmen und Erinnerungen ächzte. Er hatte gehofft, die Erinnerungen würden aufhören, als der Mann namens Roland ihn in den Abgrund unter den Bergen hatte stürzen lassen, aber sie hörten nicht auf. Statt dessen wurden sie einfach zurückgespult und fingen wieder von vorne an wie ein Tonband, das auf Repeat eingestellt ist und immer wieder von vorne anfängt, bis es entweder kaputtgeht oder jemand daherkommt

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