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Der dunkle Turm - Gesamtausgabe

Der dunkle Turm - Gesamtausgabe

Titel: Der dunkle Turm - Gesamtausgabe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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gekommen waren, ertönte ein Poltern, als etwas Schweres herunterfiel, das wahrscheinlich das vibrierende Hallen der Trommeln gelöst hatte. Jetzt konnte Roland die Lautsprecherpfosten sehen, die hier und da wie seltsame Tiere mit langen Hälsen aus den Trümmern ragten.
    Oy kam zu ihm getrottet und sah hechelnd auf.
    »Bleib dicht bei mir.«
    »Ake! Ake-Ake!«
    »Ja, Jake.« Er fing wieder an zu laufen, und Oy blieb so folgsam wie ein treuer Hund an seiner Seite.
     
     

21
     
    Für Eddie war es wieder das gleiche Erlebnis: Er lief mit dem Rollstuhl einen Wettlauf mit der Zeit. Der Strand war diesmal die Straße der Schildkröte, aber irgendwie war sonst alles das gleiche. Oh, es gab einen relevanten Unterschied: diesmal suchte er nach einem Bahnhof (oder eine Krippe), nicht nach einer freistehenden Tür.
    Susannah saß kerzengerade, das Haar wehte hinter ihr her, und Rolands Revolver, dessen Lauf zu einem wolkigen, verhangenen Himmel deutete, hielt sie in der rechten Hand. Die Trommeln pochten und dröhnten und knüppelten sie mit ihrem Lärm nieder. Vor ihnen lag ein gigantischer scheibenförmiger Gegenstand auf der Straße, und Eddies überlasteter Verstand beschwor – möglicherweise von den klassischen Gebäuden beeinflußt, die rechts und links von ihnen aufragten – ein Bild von Jupiter und Thor, die Frisbee spielten. Jupiter wirft einen zu weit, und Thor läßt ihn durch eine Wolke fallen.
    Frisbees der Götter, dachte er und schob Susannah zwischen zwei verfallenen, rostigen Autos hindurch. Was für eine Vorstellung.
    Er schob den Rollstuhl auf den Gehweg, um dem Gegenstand auszuweichen, der sich aus der Nähe als eine Art Telekommunikationsantenne entpuppte. Er schob den Rollstuhl über den Bordstein wieder auf die Straße – auf dem Gehweg lag jede Menge Abfall, der das Vorankommen erschwert hätte –, als die Trommeln plötzlich verstummten. Das Echo verhallte in der neuerlichen Stille, aber es war gar keine Stille, wurde Eddie klar. Vor ihnen lag ein Marmorgebäude an der Ecke der Straße der Schildkröte und einer anderen Allee. Dieses Bauwerk war von Efeu und seltsamen grünen Flechten überwuchert, die wie Zypressenbärte aussahen, aber es war dennoch prachtvoll und irgendwie würdevoll. Dahinter, um die Ecke, murmelte eine Menge aufgeregt.
    »Nicht anhalten!« schnappte Susannah. »Wir haben keine Zeit zu…«
    Ein hysterischer Schrei übertönte das Murmeln. Er wurde von zustimmenden Rufen begleitet und – unvorstellbar – von Beifall, wie Eddie ihn in Hotelkasinos in Atlantic City gehört hatte, wenn eine Bühnenvorstellung zu Ende gegangen war. Der Schrei ging in ein langes, sterbendes Röcheln über, das sich anhörte wie das Zirpen einer Zikade, die in den Sommerschlaf geht. Eddie spürte, wie sich seine Nackenhärchen aufrichteten. Er sah zum nächsten Lautsprecherpfosten und begriff, daß die fröhlichen Pubes von Lud gerade wieder eine öffentliche Hinrichtung abhielten.
    Toll, dachte er. Wenn sie jetzt noch Tony Orlando und Dawn hätten, die ›Knock Three Times‹ singen, könnten sie alle glücklich sterben.
    Eddie betrachtete den Block an der Ecke. Aus der Nähe verströmten die Ranken, die ihn überwuchert hatten, einen starken Kräutergeruch. Dieser Geruch war so bitter, daß er einem das Wasser in die Augen trieb, dennoch mochte er ihn lieber als das Zimtaroma der mumifizierten Leichen. Die grünen Bärte, die an den Ranken wuchsen, fielen in zerzausten Bahnen herab und bildeten Wasserfälle aus Vegetation, wo einst eine Reihe von Torbogen gewesen waren. Plötzlich kam eine Gestalt durch so einen Wasserfall geschossen und rannte auf sie zu. Es war ein Kind, dachte Eddie, der Größe nach zu urteilen noch nicht lange den Windeln entwachsen. Es trug eine Art unheimliches Kostüm wie der kleine Lord Fauntleroy mit Rüschenhemd und Kniebundhosen aus Samt. Es hatte Bänder im Haar. Eddie verspürte den irren Impuls, mit den Händen über dem Kopf zu winken und zu rufen: But-wheat sagt: »Lud ist o-tay!«
    »Kommt schon!« rief das Kind mit hoher, flötender Stimme. Einige grüne Ranken hatten sich in seinem Haar verfangen; diese strich der Junge im Laufen geistesabwesend mit der linken Hand weg. »Sie nehmen den Prügler! Der Prügelmann muß heute ins Land der Trommeln gehen! Kommt schon, sonst versäumt ihr die ganze Schaustellung, Götter mögn’s verhüten!«
    Susannah war vom Aussehen des Kindes gleichermaßen verblüfft, aber als der Junge näher kam, überlegte sie, daß es

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