Der dunkle Turm - Gesamtausgabe
einzigen Seele weiterzuerzählen«. Etwa ein Jahr später – möglicherweise nach dem Unfall, der mich ins Krankenhaus verfrachtete – öffnete meine Mitarbeiterin Marsha DiFilippo den Brief eines Zeitgenossen, der entweder in Texas oder Florida in der Todeszelle saß und im Wesentlichen dasselbe wissen wollte: Wie geht die Geschichte aus? (Er versprach, das Geheimnis mit ins Grab zu nehmen, was mir richtig Gänsehaut verschaffte.)
Ich hätte beiden gegeben, wonach sie verlangten – eine Zusammenfassung von Rolands weiteren Abenteuern –, wenn es mir möglich gewesen wäre, aber ach!, ich konnte nicht. Ich hatte nicht die leiseste Idee, wie sich die Dinge für den Revolvermann und seine Freunde entwickeln würden. Um es herauszubekommen, muss ich es schreiben. Es hatte zwar einmal eine Liste mit den Grundzügen gegeben, aber die war inzwischen verloren gegangen. (Vermutlich war sie sowieso Scheiße.) Alles, was ich hatte, waren ein paar Notizen ( »Schripp und schrapp und schrull, und schon ist das Körbchen voll« , lautet beispielsweise eine, die gerade vor mir auf dem Schreibtisch liegt). Im Juli 2001 fing ich dann endlich mit dem Schreiben an. Inzwischen wusste ich, dass ich weder länger neunzehn war noch gefeit vor jenen Leiden, die den Leib heimsuchen konnten. Ich wusste, dass ich sechzig werden würde, vielleicht sogar siebzig. Und ich wollte meine Geschichte zu Ende gebracht haben, bevor der fiese Verkehrspolizist ein letztes Mal kam. Ich verspürte nicht den Drang, das gleiche Schicksal zu erleiden wie Chaucer mit den Canterbury-Erzählungen oder Dickens mit dem Geheimnis des Edwin Drood .
Das Ergebnis – zu Freude oder Leid – liegt nun vor, o treue Leserschaft, ob man nun mit Band eins beginnen oder sich auf Band fünf vorbereiten mag. Egal, was man letztlich davon halten wird, die Geschichte von Roland ist jetzt vollbracht. Ich hoffe, sie bereitet Freude.
Ich habe mich königlich amüsiert.
Stephen King
25. Januar 2003
Vorrede
Drei ist der zweite Band einer langen Geschichte mit dem Titel Der dunkle Turm, eine Geschichte, die teilweise von Robert Brownings erzählendem Gedicht ›Childe Roland to the Dark Tower Came‹ inspiriert wurde (das selbst wiederum King Lear einiges verdankt).
Der erste Band, Schwarz, erzählt davon, wie Roland, der letzte Revolvermann einer Welt, die sich ›weitergedreht‹ hat, schließlich den Mann in Schwarz einholt… einen Zauberer, den er lange Zeit verfolgt hat – wie lange genau, wissen wir noch nicht. Wie sich herausstellt, ist der Mann in Schwarz ein Bursche namens Walter, der sich in den Tagen, ehe die Welt sich weitergedreht hatte, die Freundschaft von Rolands Vater hinterhältig erschlichen hatte.
Rolands Ziel ist aber nicht dieses halb menschliche Wesen, sondern der dunkle Turm; der Mann in Schwarz – genauer, der Mann in Schwarz weiß – ist der erste Schritt auf der Straße zu diesem geheimnisvollen Ort.
Wer genau ist Roland? Wie war seine Welt, bevor sie sich ›weitergedreht‹ hat? Was ist der Turm, und weshalb sucht er ihn? Darauf wissen wir nur bruchstückhafte Antworten. Roland ist ein Revolvermann, eine Art Ritter, einer derjenigen, deren Aufgabe es war, eine Welt, welche von ›Liebe und Licht erfüllt‹ war, wie Roland sich erinnert, zu bewahren; zu verhindern, daß sie sich weiterdreht.
Wir wissen, daß Roland zu einer frühen Mannbarkeitsprobe gezwungen war, nachdem er herausfand, daß seine Mutter die Geliebte von Marten geworden war, einem viel größeren Zauberer als Walter (der Martens Verbündeter ist, was Rolands Vater nicht weiß); wir wissen, daß Marten Rolands Entdeckung geplant hat, weil er erwartete, daß Roland scheitern und ›nach Westen‹ geschickt werden würde; wie wir auch wissen, hat Roland bei dieser Prüfung triumphiert.
Was wissen wir sonst noch? Daß die Welt des Revolvermannes nicht völlig von unserer verschieden ist. Artefakte wie Benzinpumpen und bestimmte Songs (›Hey Jude‹ zum Beispiel oder die Zote, die mit den Worten ›Bohnen, Bohnen, das musikalische Gemüse…‹ anfängt) haben überlebt; ebenso Geräusche und Rituale, welche unseren verklärten Ansichten über den amerikanischen Wilden Westen seltsam ähneln.
Und es existiert eine Nabelschnur, die unsere Welt irgendwie mit der des Revolvermannes verbindet.
In einem Rasthaus an einer längst vergessenen Kutschenstraße, in einer großen und unfruchtbaren Wüste, trifft Roland einen Jungen namens Jake, der in unserer Welt
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