Der Earl und sein verführerischer Engel (Historical) (German Edition)
schläft?“
„Gah“, erwiderte das Baby.
„Du bist ein wahrhaft ergiebiger Quell der Informationen.“ Er setzte die Kleine zurück in die Sessel, doch sie wimmerte und streckte die Ärmchen nach ihm aus.
„Schlaf jetzt.“
Da sie jedoch so aussah, als würde sie gleich losweinen, legte er sie auf die Seite und streichelte ihr den Rücken, was sie mit einem zufriedenen Seufzen quittierte. Es dauerte nur wenige Minuten, bis sie eingeschlafen war.
Stephen schlich auf Zehenspitzen aus dem Zimmer und fragte sich, ob mit Gah rechts oder links gemeint sein mochte.
Er war noch nicht weit gekommen, als eine der Türen aufging und Emily mit bleichem Gesicht auf den Korridor stürmte. „Er ist fort!“, rief sie entsetzt, als sie Stephens ansichtig wurde.
„Wer ist fort?“
„Royce.“ Emily eilte an ihm vorbei die Treppen hinunter und griff nach ihrer Pelerine. „Ich wollte nach ihm sehen, aber sein Bett ist unberührt. Wahrscheinlich ist er fortgelaufen.“
„Wie kommst du darauf?“
„Weil er neulich sagte, er wolle nach seinem Vater suchen.“
Stephen folgte ihr. „Na dann viel Glück“, murmelte er ironisch, aber Emily nahm keine Notiz von seiner Bemerkung.
Er hoffte inständig, dass der Junge sich lediglich versteckte, denn die Londoner Straßen waren ein gefährliches Pflaster für ein Kind. „Was denkst du, wie lange er schon weg ist?“
Emily wirkte, als sei sie einem Nervenzusammenbruch nah. Stephen erkannte, dass er sie unbedingt beruhigen musste, denn ohne eine umsichtige Vorgehensweise würden sie den Jungen niemals finden. Sie war schon an der Tür, als er sie einholte. „Hast du im Haus gesucht?“
Emily nickte. „Ich konnte ihn nirgendwo finden.“ Sie brach in Tränen aus und rang verzweifelt die Hände. „Was machen wir bloß, wenn wir ihn nicht finden?“
„Wir finden ihn schon. Aber ich möchte zuerst hier im Haus suchen.“
„Er ist in keinem der Zimmer.“
„Es gibt viele Orte, an denen ein Junge sich verstecken kann, Emily.“ Stephen führte sie die Treppe hinauf. Sie ließ es nur widerwillig geschehen und sah immer wieder über die Schulter zur Tür. „Was von seinen Sachen mag er am liebsten?“, fragte Stephen ruhig und nahm ihre Hand.
„Seine Zinnsoldaten. Aber das spielt doch keine Rolle. Es ist nur Spielzeug.“
„Für ihn nicht. Sie bedeuten ihm sehr viel, und er würde sie nicht zurücklassen, wenn er fortlaufen wollte.“
Als sie das Zimmer des Jungen betraten, konnten sie sich davon überzeugen, dass die Zinnsoldaten fein säuberlich aufgereiht auf der Kommode standen, doch Emily war nicht beruhigt. „Und wenn er entführt wurde? Der Mann, der mich im Garten von Falkirk angegriffen hat, könnte …“ Sie verstummte.
Damit hatte sie Stephens eigene Befürchtungen ausgesprochen, aber das wollte er sich nicht anmerken lassen. Stattdessen suchte er den Raum ab, sah unter dem Bett und hinter den Vorhängen nach. Als seine Bemühungen erfolglos blieben, versuchte er, Emily zu beruhigen. „Ich glaube nicht, dass man ihn entführt hat.“
„Wie kannst du so sicher sein?“
Er lächelte. „Das bin ich nicht, aber als Kind bin ich selbst ein paar Mal fortgelaufen.“
Das schien Emily nicht zu trösten. „Falls ihm etwas zugestoßen ist, werde ich mir das nie verzeihen.“
Die Vorhänge bauschten sich sacht, und Stephen trat ans Fenster, um es zu schließen. Eine mächtige Eiche wuchs nicht weit vom Haus entfernt, und einer ihrer kräftigen Äste reichte bis dicht an die Hauswand. Stephen spähte in die Dunkelheit.
„Bring mir eine Lampe.“ Als Emily seiner Aufforderung nachgekommen war, öffnete er das Fenster weiter und hielt die Lampe hinaus. Und tatsächlich, in einer Astgabel eingerollt lag Royce und schlief. Um den Kopf trug er ein Leinenhandtuch, im Stil eines Freibeuters im Nacken zusammengeknotet. Er hatte seinen schwarzen Mantel an und darunter sein Nachthemd, unter dem die blanken Beine hervorlugten. Auf einem kleineren Ast lag seine Mütze.
„Hol ihn schnell rein, bevor er zu Tode stürzt!“, rief Emily bei diesem Anblick besorgt.
Stephen reichte ihr die Lampe, und sie schob die Vorhänge zur Seite, während er auf das Fensterbrett stieg und sich dem Jungen in einem gefährlichen Balanceakt näherte.
„Royce“, sagte er leise. „Es ist Zeit, wieder hereinzukommen.“
Der Junge gähnte und blinzelte ihn verschlafen an. „Ich möchte lieber draußen schlafen.“
„Deine Tante macht sich deinetwegen große Sorgen.“
„Royce,
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