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Der Einbruch des Meeres

Der Einbruch des Meeres

Titel: Der Einbruch des Meeres Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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waren viele Stücke des vortrefflichen Fleisches über glühenden Kohlen geröstet. Nach ihrem Erkalten verteilte sie Pistache in sechs Portionen, und jeder nahm die seinige und wickelte sie in frische Blätter.
    Nach dem Stande der Sonne über dem Horizonte, die sich inmitten rötlicher, einen warmen Tag versprechender Dunstmassen erhob, mochte es jetzt gegen sieben Uhr sein. Auf dem weiteren Wege fehlte nun dem Kapitän und seinen Gefährten gegen die brennenden Sonnenstrahlen der Schutz der Bäume, dessen sie sich auf dem Henguiz erfreut hatten.
    Zu diesem beklagenswerten Umstande gesellte sich noch ein andrer, der ernstere Gefahren barg. So lange die Flüchtlinge sich an dem schattigen Waldsaume hielten, war die Gefahr, bemerkt und infolgedessen verfolgt zu werden, zum großen Teile ausgeschlossen gewesen. Wenn sie nun aber über die offenen Sebkhas des Schotts hinzogen… wer weiß, ob sie da nicht beobachtet wurden. Und wenn eine Schar Tuaregs ihren Weg kreuzte, wohin hätten sie flüchten sollen, um ein Zusammentreffen mit ihnen zu vermeiden? Und wenn nun Hadjar an diesem oder dem folgenden Tage gerade mit seiner Reitertruppe auf dem Rückwege nach Zenfig begriffen war, was stand ihnen da bevor?
    Zu diesen Gefahren kamen außerdem noch die Schwierigkeiten des Marsches über den beweglichen Grund des Melrir, dessen gangbare Pfade weder der Ingenieur noch der Kapitän kannte. Wer könnte da nicht die Gefahren ermessen, die ein Marsch von fünfundzwanzig Kilometern zwischen dem Henguiz und dem Werkplatze bei Goleah mit sich führte?
    Der Kapitän Hardigan und Herr von Schaller hatten das schon reiflich erwogen und dachten auch noch darüber nach, doch jetzt galt es, auch den schlimmsten Möglichkeiten Trotz zu bieten; waren doch alle zum äußersten entschlossen, wieder gut bei Kräften und fähig, die größten Anstrengungen zu ertragen.
    »Vorwärts! rief der Kapitän.
    – Ja, vorwärts… wackres Kriegsvolk!« setzte der Brigadier Pistache hinzu, der es für angezeigt hielt, die übrigen noch besonders anzueifern.
Sechzehntes Kapitel.
Das Tell.
    Ein wenig nach sieben Uhr war es, als der Kapitän Hardigan und seine Gefährten das Henguiz verließen. Die eigentümliche Art des Erdbodens bedingte nun die größte Vorsicht beim weitern Marsche, denn die salzigen Effloreszenzen der Oberfläche erlaubten kein Urteil darüber, ob er fest genug sei oder ob man bei jedem Schritt Gefahr liefe, in ein Sumpfloch zu versinken.
    Nach den Sondierungen des Kapitäns Roudaire und nach denen, die er selbst vorgenommen hatte, wußte der Ingenieur, woran er sich bezüglich der Natur dieses Gebietes, dessen Erdboden der Grund der Sebkhas und der Schotts bildete, zu halten hatte.
    Oben bedeckt ihn eine salzhaltige Kruste, die noch gewissen, sehr merkbaren Verwerfungen unterliegt. Darunter ist der Sand mit Mergel gemischt und zuweilen halbflüssig, da er oft zwei Dritteile Wasser enthält, also jedes festen Zusammenhangs ermangelt. Sehr oft treffen die Sonden erst in großer Tiefe auf einen felsigen Untergrund. Es war also kein Wunder, daß nicht selten Menschen und Pferde in diese schlammige Masse einsanken, als ob ihnen plötzlich der Boden fehlte, ohne daß es möglich war, ihnen Hilfe zu leisten.
    Bei dem Weggange vom Henguiz wäre es für die Flüchtlinge sehr wünschenswert gewesen, die Fährte vom Vorüberkommen Hadjars und seiner Tuaregtruppe zu entdecken, die ja über diesen Teil des Schotts geritten waren. Hufeindrücke hätten auf der weißen Kruste noch nicht verschwunden sein können, da es über dem Melrir seit einigen Tagen nicht geregnet hatte und auch nicht besonders windig gewesen war. In diesem Falle hätten sie nur den Spuren zu folgen brauchen, um sich nicht von den gangbaren Pfaden zu verirren, die den Eingebornen bis zur Oase von Goleah, dem wahrscheinlichen Ziele des Tuareghäuptlings, genügend bekannt waren. Von Schaller suchte jedoch vergeblich nach einer solchen Fährte, was den Schluß nahe legte, daß die Reiterschar dem Rande des Henguiz nicht bis zu dessen Ende gefolgt wäre.
    Während des Marsches hielten sich der Kapitän und der Ingenieur an der Spitze, und ihnen lief der Hund gleichsam als Plänkler voraus. Ehe sie sich für die oder jene Richtung entschlossen, bemühten sie sich stets, die Natur des Bodens zu bestimmen, was bei dem ausgedehnten salzhaltigen Gebiete eine zeitraubende Prüfung war. Der Marsch ging also nur langsam von statten und als sie die erste Wegstrecke gegen elf Uhr

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