Der einsame Baum - Covenant 05
langer Windung zum Zweiten Rund hinauf, das sich als kleinere und behaglicher gestaltete Ausgabe des Ersten Runds erwies. Hier wohnten – Rire Grist zufolge – sämtliche Personen, aus denen sich der Hofstaat des Gaddhi zusammensetzte – seine Diener, Höflinge, Berater und Gäste. Wächter waren nicht zu sehen, und die Vorhalle, in die die Treppe mündete, war mit Wandteppichen und diversem Zierat geschmückt wie ein Ballsaal. Zahlreiche Fenster sowie Leuchtgefäße, so groß wie Kessel, spendeten Helligkeit. An den Innenwänden gab es Balkone für Zuschauer und Musikanten; verzierte steinerne Tische standen für Stärkungen und Erfrischungen bereit. Gegenwärtig jedoch war die Halle leer; und trotz des Lichts, das darin herrschte, trotz der Ausstaffierung, machte sie einen sonderbar freudlosen Eindruck.
Wieder führten am anderen Ende zwei gewundene Treppen aufwärts. Während er in ihre Richtung schlenderte, erklärte der Caitiffin, die Gefährten würden hier Quartiere erhalten, und es solle ihnen Zeit zu Ruhe und Erholung unter ungestörten Verhältnissen geboten werden, sobald sie Rant Absolain vorgestellt worden seien.
Blankehans beanspruchte den Caitiffin auch weiterhin mit harmlosen Fragen und Bemerkungen. Aber die Erste blickte finster drein, als wäre sie sich mit Linden darin einig, daß es schwer sein könnte, die Sandbastei wieder zu verlassen. Sie trug ihren Schild wie eine Zusicherung auf dem Rücken, sie werde keineswegs leicht gefangenzunehmen sein. Aber die Bewegungen ihrer Arme, das Regen ihrer Finger wirkten so fahrig, als fühle sie sich verkrüppelt, legten deutlich Zeugnis von der Schwere des Verlusts ihres Schwerts ab.
Keine andere Stimme durchdrang die leere Luft. Covenant schlurfte in Brinns Griff vorwärts wie ein Negativ von Seeträumers Stummheit. Die Haruchai bewahrten wachsames Schweigen. Und Linden war zum Reden gleichzeitig zu bang zumute und zu sehr mit Beobachten beschäftigt. Mit all der zerstreuten Aufmerksamkeit, deren sie fähig war, erforschte sie die Festung des Gaddhi nach Anzeichen von Bösem.
Dann stiegen die Gefährten aus dem Zweiten Rund ins Rund des Reichtums hinauf. Diese Etage der Sandbastei trug ihren Namen zu Recht. Anders als die unteren Geschosse war sie in einen wahren Irrgarten von Räumen in der Größe von Ausstellungssälen unterteilt. Hier verwahrte der Gaddhi, erläuterte Rire Grist, die schönsten Werke der Künstler und Kunsthandwerker von Bhrathairealm auf, die kostbarsten Webereien, Kunstgegenstände und Juwelen, die die Bhrathair erhandelten, die wertvollsten Geschenke, die der Herr der Sandbastei von Herrschern anderer Länder erhielt. Ein Raum nach dem anderen war ausschließlich der Zurschaustellung von Kriegsgerät gewidmet: man sah Aufreihungen von Säbeln, Schwertern und Krummschwertern; Reihen von Wurfspießen, Speeren, Armbrüsten und zahllosen andern Mordwerkzeugen; größere Kriegsmaschinen, wie Belagerungstürme, Katapulte und Rammböcke, waren wie Gegenstände der Verehrung in prächtigen Einzelkammern ausgestellt. Andere Räumlichkeiten umfaßten Schmuckstücke jeder erdenklichen Art. An Dutzenden von Wänden hingen, als wären sie Ausdruck von Ehrerbietung, Anerkennung oder Schmeichelei, Wandteppiche und Gobelins. Mehrere Räume zeigten fein gearbeitete Pokale, Platten, Teller und sonstiges Tafelgeschirr. In jedem Raum leuchtete hell ein Lüster aus funkelndem Kristall. Der enorme Reichtum des Gaddhi erfüllte Linden mit Staunen, während Rire Grist die Gefährten durch die nächstgelegenen Ausstellungsräume führte. Wenn das die Frucht von Kasreyns Diensten war, konnte es nicht als verwunderlich gelten, daß kein Gaddhi den Wesir jemals abgesetzt hatte. Wie sollte irgendein Monarch einem Staatsdiener abgeneigt sein können, der das Rund des Reichtums ermöglichte? Kasreyns unerschütterliche Position beruhte offensichtlich nicht nur auf hohem Alter und Zauberei. Sie ergab sich eindeutig ebenso aus Gerissenheit.
Die Augen der Ersten glänzten, als sie die zur Schau gestellten Schwerter sah, von denen einige groß und schwer genug waren, um als Ersatz für ihre verlorene Waffe taugen zu können; und selbst Blankehans verschlug all das, was er erblickte, die Sprache. Seeträumer wirkte regelrecht entgeistert durch die ganze Pracht. Abgesehen von Hohl und Findail, blieben nur die Haruchai unbeeindruckt. Falls sie überhaupt irgendwie reagierten, so zeigten Brinn und seine Männer sich wachsamer und bereiter als je zuvor, erhöhten
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