Das Herz des Mörders (17) - Imitation in Death (Death 17)
Prolog
Der Sommer des Jahres 2059 war wie eine bösartige, mörderische Bestie, die New York auch weiter gnadenlos in ihren Krallen hielt, nachdem der schweißtreibende August endlich vergangen war. Jetzt hüllte ein heißer, schwüler, stinkender September New York wie in eine nasse Decke in sich ein.
Der Sommer, dachte Jacie Wooton, war tödlich fürs Geschäft.
Es war kurz nach zwei, also eigentlich die beste Zeit. Die Bars spuckten die Gäste aus, und diese Gäste waren für gewöhnlich auf der Suche nach noch ein bisschen mehr Spaß. Im Herzen der Nacht, wie sie es gerne nannte, kamen diejenigen, die noch etwas Gesellschaft wollten und dafür bezahlen konnten, am häufigsten zu jemandem wie ihr.
Seit sie ein paar Mal wegen irgendwelcher Drogen hochgenommen worden war, war sie nur noch für die Arbeit auf der Straße lizenziert. Aber inzwischen war sie sauber, und sie hatte die Absicht, die Leiter der Prostitution wieder so weit zu erklimmen, dass sie sich eine schicke Wohnung leisten konnte, in der sie einsame, reiche Gönner empfing.
Erst einmal musste sie sich aber ihren gottverdammten Lebensunterhalt hier auf dem Straßenstrich verdienen, doch bei der Affenhitze hatte kaum jemand Interesse daran, für etwas zu bezahlen, bei dem er noch mehr in Schweiß geriet. Dass sie in den letzten
beiden Stunden kaum Kolleginnen getroffen hatte, sagte ihr, dass in dem momentanen Klima auch kaum jemand bereit war, Sex zu haben, wenn er Geld dafür bekam.
Aber Jacie war ein Profi, und zwar schon seit der Nacht vor über zwanzig Jahren, in der sie in das Geschäft mit der bezahlten Liebe eingestiegen war. Auch wenn sie in der Hitze vielleicht schwitzte, welkte sie doch nicht. Ebenso, wie sie unter der Straßenlizenz auf Bewährung vielleicht hin und wieder leise stöhnte, daran aber nicht zerbrach.
Sie würde auf den Füßen bleiben - oder, je nach Wunsch des Kunden, auf den Knien, auf dem Rücken oder auf dem Bauch - und ihre Arbeit tun.
Sie würde ihre Arbeit tun, die Kohle auf die Seite legen und in ein paar Monaten wieder in ein Penthouse in der Park Avenue umziehen, denn dort gehörte sie hin.
Sie verdrängte den Gedanken, dass sie vielleicht etwas zu alt und weich für die Arbeit auf der Straße war, und konzentrierte sich ausschließlich darauf, noch einen Kunden aufzureißen. Einen letzten Kunden vor Ende dieser Schicht.
Ohne einen letzten Kunden bliebe ihr nach Zahlung ihrer Miete nicht genügend Geld für den Schönheitssalon. Und sie brauchte dringend eine Überholung.
Nicht, dass sie nicht noch immer gut aussehen würde, sagte sie sich, während sie an einer Straßenlaterne in dem drei Blocks umfassenden Gebiet, das sie in dieser düsteren Gegend der City für sich beansprucht hatte, vorüberschlenderte. Sie achtete auf sich. Vielleicht hatte sie die Drogen gegen eine tägliche Flasche Wodka eingetauscht
- und, verdammt, sie könnte augenblicklich einen Schluck vertragen -, aber sie sah immer noch fantastisch aus.
Sie stellte das, was sie zu bieten hatte, in einem leuchtend roten, knappen Büstenhalter und einem kaum über die Pobacken reichenden Minirock in derselben Farbe vorteilhaft zur Schau. Bis sie in den Schönheitssalon käme, hielte der BH ihren Busen ersatzweise in Form. Das Beste an ihr waren aber immer noch die Beine. Sie waren lang und wohlgeformt und wirkten in den silbernen High Heels, deren kreuzweise gebundene Riemchen bis zu den Knien reichten, erotischer denn je.
Nur brachten sie sie beinahe um, als sie auf der Suche nach einem letzten Freier durch die Straßen streifte.
Um ihren Füßen eine kurze Pause zu verschaffen, lehnte sie sich an den nächsten Laternenpfosten, streckte ihre Hüfte vor und sah sich aus müden braunen Augen suchend in der beinahe menschenleeren Straße um. Sie hätte die lange Silberperücke aufsetzen sollen, überlegte sie. Auf lange Haare fuhren beinahe alle Kerle ab. Aber den Gedanken an das Gewicht einer Perücke hatte sie heute Abend nicht ertragen und sich deshalb einfach ihre eigenen rabenschwarzen Haare hochgesteckt und mit etwas silbernem Glitzerspray besprüht.
Ein paar Autos fuhren an ihr vorbei, doch obwohl sie sich nach vorne beugte und einladend mit den Hüften wackelte, hielt einfach niemand an.
Noch zehn Minuten, dann gäbe sie auf. Sie würde dem Vermieter einfach gratis einen blasen, wenn er wegen der Miete kam.
Sie stieß sich von dem Laternenpfosten ab und lief
langsam mit schmerzenden Füßen in Richtung des winzig kleinen Zimmers,
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