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Der einsame Baum - Covenant 05

Der einsame Baum - Covenant 05

Titel: Der einsame Baum - Covenant 05 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen R. Donaldson
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dem Band um den Hals. Sein Sohn ruhte auf seinem Rücken wie ein Tumor. Kasreyn stand bei einem Stuhl, der eine Menge Gurte und Vorrichtungen aufwies. Die Gurte fesselten Covenant an den Stuhl. Er schaute seine Gefährten an; aber seine Augen blickten leer drein, als besäße er keine Seele. Während sie durch zusammengebissene Zähne keuchte, schob sich Linden an den Riesen vorbei, stürmte nach vorn. Im Vorübergehen starrte sie Kasreyn an, ließ ihn die unverhohlene Wut in ihrem Gesicht sehen. Dann kehrte sie ihm den Rücken zu und ging zu Covenant. Ihre Hände bebten, als sie die Gurte zu lösen versuchte. Sie waren für sie zu fest angezogen. Sie überließ diese Aufgabe Brinn, der sich zu ihr gesellte, und konzentrierte sich statt dessen darauf, Covenant zu untersuchen. Sie konnte keine äußere Beeinträchtigung feststellen. Sein Körper war unversehrt. Hinter der Schlaffheit seines Mundes und dem Gewirr des Barts hatte sich nichts verändert. Linden prüfte mit ihrer Wahrnehmung das Körperinnere, die Knochen und Organe; aber auch inwendig war er körperlich noch heil. Sein Weißgoldring stak noch wie ein Symbol der Sklaverei am äußeren Finger seiner Halbhand. Aus Erleichterung verlor Linden beinahe die Fassung. Für einen Moment war ihr vor lauter Unklarheiten regelrecht benommen zumute, mußte sie sich auf Brinns Schulter stützen, während der Haruchai den Ur-Lord befreite. War es Hergrom gelungen, Kasreyn gerade noch an Schlimmerem zu hindern? Oder hatte der Wesir keinen Erfolg gehabt? War das Covenant von den Elohim eingepflanzte Schweigen selbst seinen Künsten überlegen? Hatte es möglicherweise sogar Covenant vor Schaden bewahrt?
    »Wie du siehst«, sagte Kasreyn, »ist er wohlauf.« Ein leichtes Zittern von Alter und Verärgerung verzerrte seine Stimme. »Wiewohl ihr mich in üblem Ansehen haltet, war mein Trachten auf nichts als seine Genesung gerichtet. Hätte dieser Haruchai mich nicht mit seinem Eindringen und sinnlosen Blutvergießen gestört, Thomas Covenant wäre euch bereits gänzlich geheilt wiedergegeben. Doch wie nunmehr offenbar wird, vermag vor eurem Argwohn keinerlei Vertrauenswürdigkeit zu bestehen. Eure Zweifel erfüllen sich, da sie ihre Rechtfertigung selber herbeiführen, indem sie mich daran hindern, das zu erreichen, was euch die Rechtschaffenheit meiner Absichten lehren machte.«
    Linden fuhr herum. Ihre Erleichterung verwandelte sich in Jähzorn. »Du Lump! Wenn du schon so gottverdammt vertrauenswürdig bist, warum hast du dann so etwas angestellt?«
    »Auserwählte.« Entrüstung schimmerte durch die Wäßrigkeit von Kasreyns Augen. »Gab's denn irgend etwas, das euch dazu bewogen hätte, mir Thomas Covenant allein zu überlassen?« Mit aller Kraft seiner Persönlichkeit versuchte er den Eindruck gekränkter Tugend zu erwecken. Aber Linden fiel darauf nicht herein. Die Diskrepanz zwischen seinem Gebaren und seiner Gier war für sie offensichtlich. Sie war aufgebracht genug, um ihm jetzt ins Gesicht zu sagen, was sie in ihm sah, auch wenn sie dadurch den Umfang ihres Wahrnehmungsvermögens verriet. Doch sie bekam dazu keine Gelegenheit. Schwere Füße stampften die eiserne Wendeltreppe herauf. Durch den Geruch des Todes in der Luft spürte sie die Annäherung von Hustin . Als Brinn den Ur-Lord von dem Stuhl aufrichtete, drehte sich Linden um und wollte ihre Gefährten warnen. Eine Warnung war jedoch überflüssig. Die Riesen und Haruchai hatten sich bereits verteidigungsbereit im Labor verteilt. Aber die erste Person, die von der Treppe kam, war kein Husta , sondern Rant Absolain. Ihm folgte die Edle Alif. Inzwischen hatte sie sich die Zeit genommen, um ein durchsichtiges Kleid überzustreifen. Dahinter drängten die Wachen herein.
    Als die Edle Alif den gefällten Husta erblickte, zeugte ihre Miene für einen Moment von Bestürzung. Mit so etwas hatte sie anscheinend nicht gerechnet. Linden beobachtete die Edle und vermutete, daß sie den Gaddhi aus dem Bett geholt hatte, um Kasreyns Pläne zusätzlich zu sabotieren. Aber der tote Wächter gab allem eine andere Wendung. Ehe die Edle ihren Schrecken verbergen konnte, verriet ihr Gesichtsausdruck die Erkenntnis, einen Fehler begangen zu haben. Und Linden erkannte mit erhöhter Beunruhigung, was diesen Fehler so ernst machte. Der Gaddhi würdigte Kasreyn keines Blicks. Er beachtete seine Gäste nicht. Seine Aufmerksamkeit galt ausschließlich dem toten Wächter. Er wankte einen, dann noch einen Schritt vor, sank in das

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