Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der einsame Baum - Covenant 05

Der einsame Baum - Covenant 05

Titel: Der einsame Baum - Covenant 05 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen R. Donaldson
Vom Netzwerk:
Anstalten, die Gefährten am weiteren Vordringen zu hindern. Vielleicht hatten sie mittlerweile den Befehl erhalten, ihren Rückzug zu vereiteln. Aber Linden fühlte sich dazu außerstande, sich jetzt schon Gedanken über den Rückweg hinzugeben. Covenant befand sich in der Hand des Wesirs. Sie lief der Ersten und Ceer in den Schatten der Kanzel nach.
    Auch dort war die Wand tief zerkerbt von Abbildungen entstellter Gestalten, zu vergleichen mit einem Reigen von Unholden. Selbst im Licht wäre die Tür schwer zu finden gewesen, denn sie war gut zwischen den Reliefs getarnt. Doch Brinn hatte den Zugang bereits gefunden. Er strebte direkt auf die Tür zu. Unter dem Druck seiner Hand schwang sie einwärts und gab den Gefährten Zutritt zu einer engen Treppe, die sich durch den Stein nach oben wand. Brinn stieg voraus, Blankehans, Seeträumer und Ceer an seinen Fersen. Linden blieb hinter der Ersten. Dringlichkeit beklemmte ihr Herz, leugnete ihre Kurzatmigkeit, mißachtete die Schwäche ihrer Beine. Am liebsten hätte sie laut Covenants Namen geschrien. Die Treppe schien unglaublich lang zu sein; doch schließlich gelangten die Gefährten zu einer Tür, hinter der ein großer, runder Raum lag. Dessen Einrichtung und Atmosphäre erinnerten an ein Bordell. Kerzenleuchter verströmten schummriges Licht auf Teppiche von kräftigem Blau, dicke Polster und bequeme Couchen; die Gobelins an den Wänden stellten eine Auswahl schauerlicher Szenen dar. Fast augenblicklich verschlug der Räuchergeruch, der die dicke Luft erfüllte, Linden den Atem und bereitete ihr ein Schwindelgefühl.
    Vor ihr verharrten die Riesen und Haruchai schlagartig. Ein Husta stand mit gesenktem, auf die Gefährten gerichteten Speer im Zimmer, bewachte eine schmiedeeiserne Wendeltreppe genau in der Mitte. Dieser Husta kannte keine Zweifel an seiner Pflicht. Eine Wange war ihm von Blutergüssen geschwollen, und Linden bemerkte weitere Anzeichen, die die Schlußfolgerung zuließen, daß der Wächter erst vor kurzem einen Kampf durchgestanden hatte. Wenn Hergrom den Ur-Lord aufgespürt hatte, mußte er durch diesen Raum gekommen sein. Aber der Husta machte sich nichts aus Schmerz. Furchtlos verwehrte er den Gefährten den Zutritt zur Treppe. Brinn sprang vorwärts. Er täuschte den Wächter, stieß den Speer beiseite und tat einen Satz zum Treppengeländer. Der Husta schwenkte den Spieß, um ihn in Brinns Rücken zu bohren. Doch schon griff Seeträumer ein. Mit allem wuchtigen Schwung, Körpergewicht und seiner ganzen eichenstarken Kraft versetzte er dem Wächter einen Hieb, der ihn zwischen die Polster hinstreckte wie einen erschöpften Liebhaber. Vorsichtshalber trat Blankehans zu dem Husta , bemächtigte sich des Speers und zerbrach ihn. Die übrigen Gefährten eilten Brinn nach: Die Treppe führte sie in noch höhere Bereiche der Wesirswacht. Linden zog sich, indem sie sich ans Geländer klammerte, Stufe um Stufe hinauf, zwang ihre bleischweren Beine, weiterhin ihr Gewicht zu tragen. Der stickige Geruch des Räucherwerks und die gewundene Treppe glichen für sie einem neuen Alptraum. Sie wußte nicht, wie lange sie noch klettern konnte. Sie befürchtete, sie werde, wenn sie in die nächsthöhere Etage gelangte, zu nichts anderem noch fähig sein, als um Atem zu ringen. Aber ihre Willenskraft trieb sie, ihrem Keuchen und dem Schwindel zum Trotz, hinauf ins Laboratorium des Wesirs.
    In rasender Hast erforschten ihre Augen die Räumlichkeit. Es handelte sich eindeutig um die Arbeitsstätte Kasreyns, in der er sich seiner geheimen Künste befleißigte. Doch Linden vermochte nichts von allem, was sie sah, richtig zu erkennen. Lange, mit Gerätschaften überhäufte Tische, vollgestopfte Regale, sonderbare Apparaturen – alles schien sich um sie zu drehen. Dann klärte sich ihre Sicht. Jenseits der Stelle, wo nun die Riesen und Brinn stehengeblieben waren, lag ein Wächter. Er war tot, ruhte mit verrenkten Gliedmaßen in einer im Gerinnen begriffenen Lache seines übelriechenden Bluts. Neben ihm stand Hergrom wie ein Sinnbild der Herausforderung. Bedächtig nickte er hinüber zum anderen Ende des Labors. Dort befand sich Kasreyn. In seinem ureigensten Reich, umgeben von seinen Besitztümern und Werkzeugen der Macht, wirkte er unnatürlich groß. Er hatte die hageren Arme wie im Zorn auf der Brust verschränkt; doch er stand so still da wie Hergrom, als wären er und der Haruchai während eines Zwists in eine Sackgasse geraten. Der goldene Augenring hing ihm an

Weitere Kostenlose Bücher