Der einsame Baum - Covenant 05
taub für den Wortwechsel, der ringsherum stattfand. Doch die Muskeln an seinen Augen und Mundwinkeln reagierten auf jedes Wort, kniffen sich nahezu unmerklich zusammen. Der Bart und sein hitziger Blick verliehen ihm eine seltsame Ähnlichkeit mit jenem Alten, der zu ihr gesagt hatte: Bleib getreu! Aber seine Haut zeigte die Verfärbung des Gifts; und unter der Oberfläche seines Äußeren ruhte die Leprose wie eine endgültige Verdammung oder unwiderruflicher Wahnsinn, ein zwingender, unbestreitbarer Sachverhalt. Das waren die Dinge, deren er sicher war – sonst gab es nichts dergleichen, weder in ihm noch in Linden.
Bist du nicht schlecht? In einer Art von Schwächeanfall verspürte Linden das dringende Bedürfnis, ihn anzuflehen, anzubetteln, er möge diese grauenvolle Frage zurücknehmen, obwohl er es gar nicht gewesen war, der sie ausgesprochen hatte. Doch Brinn schleuderte ihr Anschuldigungen entgegen, und sie konnte nicht darüber hinweggehen.
»Nein, Riese«, antwortete der Haruchai Pechnase. »Die Hast ist auf deiner Seite. Bedenke wohl. Derweil das Schweigen der Elohim in Ur-Lord Thomas Covenant herrschte, befleißigte er sich keiner einzigen Tat. Weder Geist noch Wissen ließen sich in ihm ersehen. Aber war die Auserwählte nicht des Handelns fähig?« Pechnase wollte etwas entgegnen; doch Brinn kam ihm zuvor. »Und sind uns nicht die Worte zur Kenntnis gelangt, die jener Wütrich in Gibbons Gestalt zu ihr sprach? Hat er ihr nicht verkündet: ›Du bist besonders für dies Werk der Zerstörung auserwählt worden‹? Und ist nicht, seit er's sprach, all ihr Treiben zu unserem Schaden gediehen?« Wieder versuchte Pechnase zu widersprechen; aber der Haruchai ließ ihn nicht zu Wort kommen. »Als der andere Wütrich den Ur-Lord mit Unheil schlug, brachte ihr Zögern ...« – er dehnte das Wort wie im Spott – »sowohl ihn wie auch Sternfahrers Schatz in Gefahr. Als die Elohim es darauf absahen, ihn unseres Schutzes zu berauben, gebot sie uns, seine Seite zu verlassen, lieferte ihn den üblen Absichten jenes Volkes aus. Und obschon man ihr die Möglichkeit des Eingreifens gab, weigerte sie sich, ihre Heilersinne zu verwenden, um ihm das zugedachte Schicksal zu ersparen.« Brinn setzte seine Aufzählung der Vorwürfe fort. »Und danach, Riese, beliebte es ihr, nichts zu unternehmen, um den Ur-Lord des auferlegten Schweigens zu entheben. Sie verweigerte es uns, zu Hergroms Verteidigung wider Kasreyn vorzugehen, als der Wesir sich allein in unseren Händen befand. Sodann drängte sie darauf, die Sandbastei von neuem zu betreten, während sogar der Ernannte zur Flucht riet. Sie entschloß sich erst zur Beistandsleistung, nachdem Hergrom erschlagen und Ceer verwundet worden war, wir alle in des Wesirs Kerkerloch staken und keine andere Hilfe verblieb.« Seine folgenden Worte richtete er an die Erste – Worte, so hart wie Splitter von Feuerstein. »Hör mich an. Bei unserem Volk sprechen die alten Erzähler des öfteren von den Bluthütern, die den einstigen Lords des Landes dienten, und von Kevin Landschmeißer, der das Ritual der Schändung vollzog. Durch jene Tat des Wahnsinns fanden auch die Alt-Lords ihr Ende, denn selbst sie waren wider des Landes Verwüstung nicht gefeit. Und damit hätten auch die Bluthüter ein Ende nehmen müssen. Hatten sie nicht geschworen, die Lords vor dem Untergang zu bewahren oder zu sterben? Dennoch überdauerten sie, dieweil Kevin Landschmeißer sie fortgeschickt hatte, ehe er das Ritual begann. Sie gehorchten, ohne zu ahnen, welche Absicht er in seinem Herzen hegte. Durch diesen Gehorsam lernten die Bluthüter den Zweifel kennen, und der Zweifel eröffnete der Verderbnis die Pforten. Der Bluthüter Irrtum bestand darin, daß sie sich jedwedes Urteils über Kevin Landschmeißer enthielten – oder über ihn ein fehlgeleitetes Urteil fällten. So kam's, daß die Verderbnis die Alt-Lords und ebenso die Bluthüter aus dem Felde schlagen konnte. Und die neuen Lords wären ihr gleichfalls erlegen, hätte nicht der Ur-Lord des Landes Bürde auf sich genommen. Nun sage ich zu dir, wir werden nicht abermals auf solche Weise irren. Die Reinheit eines jeden Dienstes liegt in jenen, die dienen, nicht allein darin, daß sie dienen, und wir werden uns nicht der Verderbtheit verfallen lassen, indem wir dem Vertrauen schenken, was voller Falschheit ist. Hörst du mich, Riesin?« Ausdruckslos kam er zum Schluß seiner Ausführungen. »Wir werden uns nicht nochmals des Urteils enthalten, wo
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