Der einsame Baum - Covenant 05
selbst und dienten ihm, während er alles verlor, was er liebte.« Ihre Stimme schnarrte wie in Hohn; aber es war kein Hohn, was sie bewegte. Sie befand sich in einem letzten Akt der Auflehnung gegen die Finsternis, der man sie zudrängte. Du hast mich ja sowieso nie geliebt. »Herrgott noch mal! Kein Wunder, daß er vor Verzweiflung verrückt geworden ist. Wie hätte er unter solchen Leuten auch nur einen Funken an Selbstrespekt behalten sollen? Er muß gedacht haben, keine andere Wahl zu besitzen, als alles, was ihrer nicht wert war, zu vernichten.« Sie sah Schock in Covenants Miene, Zurückweisung in Brinns Gesicht. »Und nun machst du das gleiche«, fügte sie mit zittriger Stimme hinzu. Ihre heftige Argumentation zielte direkt auf Covenants Herz. »Du hast alle Macht der Welt, und du denkst lediglich daran, wie du im Umgang damit Lauterkeit bewahren kannst. Alles, was du anfängst, ist so voller Hingabe.« Voller Hingabe in einem Maß, das Lindens sämtliche Handlungen wie bloße Feigheit und Weigerung wirken ließ. »Du treibst jeden in deiner Umgebung zum Äußersten.« Und mir fehlt es an der Macht, um es dir gleichzutun. Es ist nicht meine ... Aber sie versagte sich das Weiterreden. Trotz ihres Elends war sie ihm nicht die Schuld an dem zuzuschieben bereit, was sie getan hatte. Er hätte einen derartigen Vorwurf ernstgenommen; und er hatte ihn nicht verdient. »Du hast zu so etwas kein Recht«, beendete sie barsch ihre Ausführungen, erfüllt von bitterem Schmerz über den Kontrast zwischen seiner und ihrer inneren Wüste. Covenant antwortete nicht. Er sah sie nicht länger an. Sein Blick betrachtete wie in Scham oder Flehentlichkeit den Stein zu ihren Füßen.
Brinn dagegen schwieg nicht. »Linden Avery.« Der Gleichmut in seinem Tonfall klang so unerbittlich wie das Antlitz des Schicksals. »Stellst du fürwahr die Behauptung auf, die Bluthüter wären die Verursachung von Kevin Landschmeißers Verzweiflung gewesen?«
Linden würdigte ihn keiner Antwort. Ihre volle Aufmerksamkeit galt Covenant und schloß jeden anderen aus. Plötzlich schien in Covenant etwas zu zerbrechen. Er schwang die Fäuste durch die Luft, als wäre diese Gebärde ein Schrei; und wilde Magie zog einen silbernen Lichtbogen durch das Schweigen. Die Glut erlosch fast sofort. Aber er lockerte seine Fäuste nicht. »Linden.« Seine Stimme drang ihm erstickt aus der Kehle, gleichermaßen schroff und sanft. »Was ist mit deinem Arm passiert?«
Seine Frage überraschte Linden vollkommen. Die Riesen starrten ihn an. Ein andeutungsweises Stirnrunzeln brachte Cails Brauen zum Zucken. Doch das kurze Aufflammen seiner Energie hatte die Umstehenden seinem Einfluß unterworfen. Im Handumdrehen nahm der Konflikt einen anderen Charakter an. Die Auseinandersetzung fand nicht mehr zwischen den Haruchai und Linden statt. Sie war nun eine Sache zwischen Linden und Covenant, zwischen Covenant und jedem, der sich gegen ihn stellte. Und Linden merkte, daß sie ihm antworten mußte. Sie war jedes Schutzes verlustig gegangen, mit dem sie sich seiner Leidenschaftlichkeit hätte erwehren können. Doch der schiere Abscheu, den sie vor dem empfand, was sie getan hatte, ließ ihre Entgegnung bissig klingen. »Cail hat mich getreten. Um zu verhindern, daß ich Ceer umbringe.«
Auf diese karge Erklärung hin fauchte der Atem Covenants wie in einem Laut der Pein durch die Zähne. Brinn nickte. Falls er Lindens vorwurfsvollen Ton als Anlaß zur Kränkung betrachtete, zeigte er es nicht.
Einen Moment lang rang Covenant ums Verstehen. »Na schön«, meinte er dann unterdrückt. »Es reicht.«
Die Haruchai verharrten, wo sie standen. »Ur-Lord, es muß Vergeltung geübt werden!«
»Nein«, erwiderte Covenant, als hätte er von Linden eine ganz andere Auskunft erhalten. »Sie ist Ärztin. Sie rettet Menschenleben. Glaubst du, sie leidet nicht schon genug?«
»Von derlei weiß ich nichts«, entgegnete Brinn. »Doch weiß ich, sie war drauf aus, Ceer zu töten.«
Plötzlich fing Covenant an zu brüllen. »Das ist mir egal!« Er tobte seine Heftigkeit an Brinn aus, als würde sie seinem Innern nachgerade gewaltsam entrissen. »Sie hat mich gerettet! Uns alle hat sie gerettet! Denkst du etwa, das war leicht? Ich habe nicht vor, sie jetzt im Stich zu lassen, bloß weil sie etwas getan hat, das ich nicht begreife!«
»Ur-Lord ...«, begann Brinn.
»Nein!« Covenants Toben bezeugte eine solche Fülle zurückgehaltener Macht, daß davon unter Lindens Füßen das Deck
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