Der einsame Baum - Covenant 05
war nichts, das sich durchs Töten überwinden ließ.
In einer Hinsicht allerdings irrte sich Linden: Kasreyns Tod hätte einen Unterschied ausgemacht. Den gleichen Unterschied, den die Tatsache, daß sie ihre Mutter getötet hatte, für sie bedeutete.
Covenant hätte ihr gerne gesagt, wie froh er darüber war, daß sie Brinn nicht auf Kasreyn losgelassen hatte. Aber er fühlte sich zu stark von anderen Nöten bedrängt. Wie um ihr seine Anerkennung zu verstehen zu geben, blieb er noch für einen Moment still. Dann setzte er sich ruckartig in Bewegung und kehrte zurück zu der Gruppe von Riesen, die damit beschäftigt waren, die Schläuche über die Reling der Dromond abzulassen.
Er drückte sich an die Reling und starrte hinab zu den Luftblasen. Er empfand den Querbalken vor seiner Brust wie eine Schranke. Fürchterlich viel Zeit war verstrichen. Wie könnten Brinn und Cail überhaupt noch am Leben sein? Die Luftblasen stiegen schubweise auf, als hätten die beiden Riesinnen eine Tiefe erreicht, in der der Wasserdruck ihren Lungen gefährlich zu werden drohte. In den Schläuchen wummerte und pfiff es, daß es wie ein Schnarchen klang; das Geröchel und Fauchen zeugte von der Tätigkeit der Pumpen. Covenant stellte fest, daß er im gleichen Rhythmus atmete.
Nahezu gewaltsam entzog er der See seinen Blick. Der unabwägbare Tanz der Fontänen ging immerfort weiter, bereitete der Sternfahrers Schatz langsam ein nasses Grab. Das Schwert der Ersten ruhte in seiner Scheide auf dem Deck wie ein aufgegebener Gegenstand, um Sinn und Namen beraubt. Linden ließ ihren Blick zerstreut ringsum durch die Flautezone schweifen, machte nicht nachvollziehbare Wahrnehmungen. Unbewußt bewegten sich ihre Lippen, als rede sie in einer fremden Sprache von hohen Fontänen und Sprühnebeln.
Auf einmal kamen die Schläuche zum Stillstand. Im gleichen Moment erbebte die wie eingekapselte Atmosphäre der Flautezone wie unter einem Donnerschlag. Für einen Augenblick schienen Laute Covenants Hirn zu versengen, als wäre der Gesang der Wasserhulden urplötzlich zu Gekreisch der Empörung geworden. Die düsteren Wolken wirkten, als streckten sie sich näher wie Fäuste des Zorns, geballt zu Racheakten.
Indem sie auf irgendein von unten erhaltenes Zeichen reagierten, begannen die Riesen die Schläuche nun einzuholen, zogen sie Hand über Hand schnell und kraftvoll zurück an Bord.
Covenant wollte sich ihnen zudrehen. Aber Lindens Anblick hinderte ihn an der Ausführung seiner Absicht. Sie war so bleich geworden wie in höchster Panik. Ihre Hände waren an den Mund gehoben, bedeckten ihn; ihre Augen starrten weißlich in die Ferne.
Covenant packte sie am Arm, grub seine gefühllosen Finger in ihr Fleisch. Ihr Blick starrte durch ihn hindurch. »Linden!« fuhr er sie an, verdrossen aus Furcht und aufgrund seines unzulänglichen, wie verstümmelten Wahrnehmungsvermögens. »Was ist los?«
»Die Gewitter.« Linden sprach wie zu sich selbst, war sich anscheinend kaum dessen bewußt, daß sie sich laut äußerte. »Sie gehören zu diesem Tanz. Die Wasserhulden rufen sie hervor, um Schiffe sozusagen einzufangen. Ich hätt's gleich merken müssen.« So plötzlich wie in einem Auffunkeln von Intuition klärte sich ihr Blick. Sie fuchtelte mit den Armen, um Covenant abzuschütteln. »Die Gewitter! « keuchte sie eindringlich. »Ich muß Blankehans warnen! Man wird uns angreifen! «
Begriffsstutzig gab Covenant sie frei. Linden taumelte rückwärts, gewann das Gleichgewicht wieder, begann in die Richtung zum Achterkastell zu laufen.
Fast hätte sich Covenant ihr angeschlossen. Ihre angespannte, sportlich-geschwinde Gestalt schien ihn mitzuziehen, während sie übers Deck rannte. Aber man holte die Erste und Windsbraut gerade zurück an die Oberfläche. Mit Brinn und Cail? Sicherlich. Weshalb sonst sollten die Tänzerinnen der See sich zur Attacke entschlossen haben?
Unermüdlich mühten die Riesen sich an den Schläuchen ab. Erwartungsvoll umklammerte Pechnase mit den Händen die Reling so fest, daß die Knöchel weiß hervortraten. Seeträumer stand zum Hinabspringen für den Fall bereit, daß die Erste und Windsbraut Unterstützung benötigten. Die Narbe unter seinen Augen glänzte wie zum Zeichen seiner äußersten Anteilnahme an allem, was nicht mit der Erd-Sicht zusammenhing. Die Atmosphäre verdichtete sich wie zu einer unausbleiblichen Detonation.
Stimmen ertönten vom Achterkastell – erst Lindens Stimme, dann Blankehans'. Der Kapitän
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