Der einsame Baum - Covenant 05
gesprochen, nie ein Dienst geleistet worden. Ur-Lord.« Brinn schaute Covenant unverwandt fest an, blinzelte kaum einmal. Doch die ungewohnten Anklänge von Sanftmut in seinem Ton ließen sich nicht mißverstehen. »Im Gesang der Wasserhulden verspürten wir die Glut unseres Sehnens nach dem, was wir verlassen haben. Freilich sind wir einem Wahn erlegen – doch der Wahn war süß. Berge ragten rings um uns empor. Die Luft verwandelte sich in jenen scharfen Hauch, den der Schnee der Berge atmet. Und an den Hängen zogen die Weiber zu uns herauf, die uns in ihrem Verlangen nach Feuer, Same und Sprößlingen zu rufen pflegen.« Vorübergehend verfiel er in die klangvolle Sprache der Haruchai ; sie schien sein Gesicht zu verändern, ihm etwas von einem Poeten zu verleihen. »So kam's, daß wir uns sputeten, dem Gesang zu folgen, Dienst und Sicherheit mißachteten. Die Glieder unserer Weiber sind braun von Geburt an und von Sonne. Aber ihre Haut hat auch ein Weiß, das so pur ist wie das Eis, welches die Berge verschwitzen, und es brennt, wie der reinste Schnee auf dem höchsten Felsturm im vom stärksten Wind durchfegten Gebirgspaß brennt. Selbiges Weiß war's, das bewirkte, daß wir uns den Tänzerinnen der See gaben.«
Covenant konnte Brinns Blick nicht länger standhalten. Bannor hatte diese Dinge angedeutet; sie boten eine Erklärung für die Haruchai . Auf ihnen beruhte die harte, strenge Einstellung der Haruchai gegenüber dem Rest der Welt, auf der Tatsache, daß jeder Atemzug, den sie taten, ein Atmen des Verlangens war und der Entsagung. Covenant schaute seine Gefährten um Unterstützung an; aber niemand vermochte ihm welche zu bieten. Schmerz oder Einsicht trübten Lindens Augen. Mitgefühl verzerrte Pechnases Miene. Und die Erste, die vertraut war mit Ausnahmesituationen, stand neben Brinn und Cail, als billige sie ihren Entschluß.
»Auf diese Weise«, setzte Brinn seine Ausführungen gelassen fort, »haben wir uns als falsch erwiesen. Um eines Wahns willen haben wir die versprochene Treue verraten. Wir waren unfähig, unser Versprechen einzuhalten. Wir sind unwürdig. Darum werden wir dir nicht länger dienen. Unsere Torheit muß nun ein Ende finden, auf daß dadurch nicht bedeutsamere Versprechen als unseres zur Falschheit mißraten.«
»Brinn«, erhob Covenant Einspruch, als ersticke er. »Cail!« Sein Kummer verlangte nach Worten. »Ihr braucht das nicht zu tun. Niemand gibt euch eine Schuld.« Seine Stimme klang rauh, als könne er sich nur mit Mühe von Grobheiten zurückhalten. Linden streckte schwach eine Hand nach ihm aus, wie um ihn zum Mitleid zu bewegen. Ihre Augen waren aus Verständnis für das Schicksal der Haruchai feucht. Aber er achtete nicht auf sie. Die Unerbittlichkeit, mit der er seine Gemütserregung mäßigen mußte, gestattete es ihm nicht, anders zu sprechen. »Bannor hat das gleiche getan. Genau das gleiche wie jetzt ihr. Wir standen am Landbruch ... mit Schaumfolger. Er hat's abgelehnt, uns zu begleiten, als ich ihn brauchte ...« Krampfhaft schluckte Covenant. »Ich habe ihn gefragt, für was er sich schäme. ›Ich empfinde keine Scham‹, hat er gesagt. ›Doch betrübt's mich, daß so viele Jahrhunderte vonnöten waren, um uns die Grenzen unseres Wertes zu lehren. Wir gingen zu weit, sowohl in unserem Stolz wie auch unserer Torheit. Sterbliche sollten um keines Dienstes willen Weiber, Schlaf und Tod aufgeben – oder die Fratze ihres letztendlichen Versagens wird zu gräßlich sein, als daß sie ihren Anblick zu ertragen vermöchten.‹ Du sagst jetzt das gleiche, bloß mit anderen Worten. Aber verstehst du nicht, daß es so einfach nicht ist? Jeder kann versagen. Aber die Bluthüter haben nicht nur versagt. Sie haben das Vertrauen verloren. Oder was glaubst du, warum Bannor mir in Andelain erschienen ist? Wenn du recht hast, weshalb hat er's nicht ohne weitere Umstände dabei gelassen, daß ihr die Folgen eurer Unwürdigkeit tragt?« Am liebsten hätte Covenant all seine Verbitterung und Enttäuschung Brinn mit den Fäusten eingehämmert. Grimmig beherrschte er sich, versuchte statt dessen, mit Worten Brinns unzugänglichen Gleichmut zu durchdringen. »Ich will dir sagen, warum. Es kann sein, daß kein Eid oder Versprechen eine Antwort auf den Verächter ist. Aber ebensowenig ist es Selbstaufgabe. Bannor hat mir keine Versprechungen und keine Geschenke gemacht. ›Erlöse mein Volk‹, hat er bloß zu mir gesagt. ›Sein Schicksal ist ein Greuel. Und es wird dir
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