Der einsame Baum - Covenant 05
erwärmte, und ...« Er unterbrach sich erneut, zog den Kopf ein und fuhr sich mit der Hand über die Augen. »Ach, kurz, Pechnase, kurz«, sagte er gedämpft. Als er wieder aufblickte, rang er sich trotz seiner Tränen ein verzerrtes Lächeln ab. »Auserwählte, ihr unterlief mit der Schlinge ein Mißgeschick. Und selten geschieht's, daß selbst ein Riese aus dem Rachen eines Nicor wiederkehrt.«
Linden erwiderte seinen Blick mit Beklemmung in der Kehle. Sie wollte etwas sagen, aber sie hatte keine Ahnung, wie man einen Riesen trösten konnte. Sie war seinem Lächeln nicht gewachsen.
Vor dem Fockmast hatte unterdessen die Besatzung unter Knolle Windsbrauts Anleitung die Herstellung dreier großer Gegenstände abgeschlossen. Es handelte sich um eine Art von korbähnlichen Kanus – Boote aus mit Leder überzogenen Holzrahmen, jedes groß genug, um zwei Riesen Platz zu bieten. Die Seiten waren hoch und nach innen gewölbt, so daß jedes Boot zu drei Vierteln die Form einer Hohlkugel besaß. Eine Anzahl von Trossen und Eisenringen verband die Gebilde miteinander; deshalb konnten sie nur zusammen angehoben und bewegt werden. Auf Windsbrauts Anordnung trug man die Boote nach vorn und warf sie über den Bug ins Wasser. Pechnase berührte Lindens Schulter und führte sie an einen Standort, von dem aus sie die Boote überschauen konnte. Sie trieben wie gewichtslos auf der spiegelglatten See. Im nächsten Moment scholl die barsche Stimme der Lagerverwalterin übers Vorderdeck. »Ein Wagnis ist's, Nicor anzulocken, und niemand soll allein auf Befehl daran teilhaben. Sollte nur ein Nicor sich einfinden, mag's dennoch sein, daß er ein übelgesinntes Vieh ist und uns feindlich begegnet. Sollten viele Nicor kommen, wird dies Meer sich in einen Schauplatz der gröbsten Unbill verwandeln. Und sollte mir kein Erfolg beschieden sein ...« Schroff hob sie die Schultern. »Der Versuch muß gemacht werden, sei's zum Wohl oder zum Übel. So hat die Erste gesprochen. Ich bedarf der Unterstützung dreier von euch.«
Ohne Zögern traten mehrere Riesen vor. Seeträumer wollte sich auch melden; aber die Erste schritt dagegen ein. »Die Erd-Sicht muß uns erhalten bleiben«, sagte sie. Rasch wählte Windsbraut drei Besatzungsmitglieder aus. Die anderen Riesen fingen an, ein Tau, das so dick war wie Lindens Oberschenkel, aus seinem Behältnis am Fockmast abzurollen. Diese Trosse führten sie den Booten zu. Die Lagerverwalterin schaute zu Blankehans und der Ersten hinüber, ob sie noch irgend etwas zu sagen hätten. »Hab acht, Knolle Windsbraut!« sagte die Erste jedoch nur. »Ich mag dich nicht verlieren.«
Gemeinsam sprangen Windsbraut und ihre drei Helfer über Bord. Mit der Mühelosigkeit alter Gewohnheit schwammen sie zu den Booten, nahmen die Trosse mit. Als sie die Vertäuung erreichten, die die drei Boote verband, schoben sie die Trosse durch einen zentral angeordneten Eisenring. Anschließend zogen sie sie zum vordersten Boot, das die Spitze eines nach Osten gerichteten Dreiecks bildete. Windsbraut erhob sich mit einem wuchtigen Stoß ihrer Beine aus den Fluten und schwang sich über den Rand ins Boot. Es schaukelte unter ihrem Gewicht, blieb jedoch auf dem Wasser. Sie hielt das Boot im Gleichgewicht, als ein zweiter Riese zustieg. Dann nahm sie von den Riesen, die noch im Wasser schwammen, die dicke Trosse entgegen. Daraufhin trennten sich diese beiden Riesen; jeder schwamm zu einem der zwei seitlichen Boote. Windsbraut und ihr Helfer zerrten unterdessen ein Stück der Trosse, die von der Sternfahrers Schatz herüber verlief, durch den eisernen Ring in ihr Boot. Als sie mit der verfügbaren Länge zufrieden war, begann sie am Ende der Trosse eine große Schlinge zu knüpfen. Sobald die beiden anderen Riesen in ihre Boote geklettert waren, gaben sie ihre Bereitschaft zu verstehen. Ihre Stimmen bezeugten innere Anspannung; aber der eine grinste wild, und die Riesin im dritten Boot konnte es sich nicht verkneifen, in die Richtung des Schiffs eine übertriebene Verbeugung zu machen, und brachte ihr Boot mit ihren Faxen ins Schwanken. Knolle Windsbraut reagierte mit einem Nicken. Indem sie ihr Körpergewicht verlagerte, neigte sie den Rand des Boots bis dicht über den Wasserspiegel. In dieser Stellung setzte sie ein Objekt, das aussah wie eine unten offene Trommel, aufs Wasser. Ihr Helfer sorgte dafür, daß das Boot das Gleichgewicht bewahrte, so daß trotz der Schräglage kein Wasser einlief. Pechnase straffte sich erwartungsvoll;
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