Der einsame Baum - Covenant 05
»In Holzheim Steinmacht hätte er ohne weiteres zugeschaut, wie man mich umbringt. Ganz zu schweigen von den Sonnenübel-Opfern in der Umgebung von Steinhausen Bestand. Und er hat Schlächtereien ...« Er ballte die Hände zu Fäusten, als er sich an das Blut erinnerte, das Hohl vergossen hatte.
»Dann weiß Gibbon womöglich mehr über ihn als du?« sagte Linden in einer Anwandlung unbestimmter Befürchtungen.
Das einzige Mal, daß seine Fragen sie zum Zusammenzucken brachten, ergab sich, als er auf den Kevinsblick zu sprechen kam. Wieso hatte sich Lord Foul, fragte er, nicht auch an sie gewandt, als sie beide ins Land versetzt worden waren? Der Verächter hatte ihm eine boshafte Ankündigung des Untergangs für ihn und das Land gemacht. Sie entsann sich noch genau der Äußerung, so wie Covenant sie ihr wiederholt hatte: Dich erwartet Verzweiflung, die jedes Maß übersteigt, das dein kleines sterbliches Herz zu erdulden vermag. Aber zu ihr hatte Lord Foul nichts gesagt. Sie war auf dem Kevinsblick von ihm völlig unbeachtet geblieben. »Er hat's nicht nötig gehabt«, meinte Linden bitter. »Er hat schon alles über mich gewußt, was er wissen mußte.« Der Gibbon-Wütrich hatte enthüllt, wie genau der Verächter sie kannte.
Covenant betrachtete Linden, als hätte er in der Tat gewisse Bedenken; und sie begriff, daß er diese Möglichkeit bereits in Betracht gezogen hatte. »Vielleicht nicht«, widersprach er. »Vielleicht hat er nicht mit dir geredet, weil's nicht seiner Absicht entsprach, daß du hierhergerätst. Es kann sein, es kam für ihn überraschend, daß du versucht hast, mich zu retten, und du bist ganz einfach mitgerissen worden. Wenn das stimmt, warst du kein Bestandteil seines ursprünglichen Plans. Und alles, was dir Gibbon gesagt hat, war gelogen. Ein Trick, um davon abzulenken, daß du eine Gefahr für Foul bist. Dir vorzutäuschen, du hättest keine Chance. Während die Wahrheit vielleicht ist, daß für Foul die größte Bedrohung von dir ausgeht.«
»Wieso?« wollte Linden erfahren. Seine Interpretation behagte ihr nicht. Niemals würde sie die Begleiterscheinungen von Gibbons Berührung vergessen können. »Ich besitze keinerlei Macht .«
Covenant schnitt eine irgendwie unredliche Grimasse. »Du hast deine besondere Wahrnehmung fürs Gesunde. Vielleicht kannst du mich am Leben halten.«
Am Leben halten , raunte Linden bei sich. Den gleichen Einfall hatte sie gegenüber Pechnase zum Ausdruck gebracht und dadurch keine Erleichterung gefunden. Doch wie sonst sollte sie darauf hoffen können, den Lauf ihres Lebens zu ändern? Sie hatte eine greuliche Erinnerung an das Gift in Covenant, die immer stärkere Bedrängnis seiner Marter. Vielleicht würde es ihr möglich sein, indem sie sich dieser einen Aufgabe verschrieb – die durchaus in die Zuständigkeit einer Ärztin fiel –, ihren Hunger zu stillen und die Finsternis zu verdrängen.
Der Schweifherzwind blies fünf Tage lang mit der Beständigkeit von Stein. Da die Segel so wenig Beachtung erforderten, widmeten sich die Riesen den vielfältigen anderen Arbeiten, die an Bord des Schiffs anfielen: sie beseitigten jeden Ansatz von Salzkruste; ersetzten verschlissene Leinen und abgenutztes Gerät; ölten nicht in Gebrauch befindliches Segeltuch und gelagerte Trossen ein, um sie vor Wettereinflüssen zu schützen. Mit diesen kleineren Erledigungen befaßten sich die Riesen mit dem gleichen hingebungsvollen Enthusiasmus, den sie bei den anstrengenderen Anforderungen zeigten, die die Dromond an sie stellte. Blankehans jedoch beobachtete Besatzung und Schiff, spähte übers Meer aus, zog seinen Sternhöhenmesser zu Rate, studierte seine pergamentenen Karten, als rechne er jeden Moment mit Gefahr. Oder als müsse er sich beschäftigen, fand Linden, als sie ihn aufmerksamer betrachtete.
Es kam kaum einmal vor, daß sie ihn das Achterkastell verlassen sah, obwohl weder Derbhand noch Windsbraut die Sternfahrers Schatz weniger wacker als er geführt hätten. Gelegentlich bemerkte Linden, wenn sein Blick über sie hinwegglitt, ohne sie zu sehen, einen Anflug von Hoffnung oder Bangen in seinen abgründigen Augäpfeln. Sie hatte den Eindruck, daß er sich mit einer Idee trug, von der kein anderer an Bord etwas ahnte.
Fünf Tage lang wehte der Schweifherzwind; und als er am fünften Tag spätnachmittags nachließ, erscholl vom Fernschau herab ein Ruf, der bewirkte, daß alle Augen sich nach Osten wandten. »Ödeiland!« Und backbords vom Bug sah
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