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Der einsame Baum - Covenant 05

Der einsame Baum - Covenant 05

Titel: Der einsame Baum - Covenant 05 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen R. Donaldson
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ihres Verlangens zu lindern. Doch sie bewahrte Zurückhaltung; sie war sich des Ungenügenden ihrer Offenheit allzu deutlich bewußt. Sie hatte Covenant genug erzählt, um ihn zu der Annahme zu verleiten, sie hätte ihm alles gesagt. Aber sie hatte ihm nichts von ihrer Mutter verraten; von der brutalen, unwiderruflichen Tatsache, die sie daran hinderte, die Person zu werden, die sie sein wollte. Seiner würdig.
     
    Seit dem Tag, an dem sich das stürmische Wetter verzog, hatte Grimme Blankehans die Sternfahrers Schatz unter Anstrengung durch eine wirre Folge launischer, wechselhafter Winde gelenkt, das Schiff unausgesetzt laviert, um übers ruhelose Meer einen Weg nach Osten zu finden. Die Riesen taten ihre Arbeit vergnügt, als überwöge die Freude an ihrer Geschicklichkeit und dem Schiff so gut wie jede vorstellbare Müdigkeit. Und Ceer und Hergrom halfen regelmäßig in den Wanten mit, glichen ihren kleineren Körperbau und die geringere Reichweite ihrer Arme durch ihre Kraft und Schnelligkeit aus. Nichtsdestotrotz machte die Dromond relativ langsame Fahrt. Tag um Tag vertiefte dieser Umstand das Stirnrunzeln der Ersten. Er verdüsterte die geballte Enttäuschung, die wie ein Schatten unter der Oberfläche von Seeträumers Gesicht lag. Und während Covenants Gesundheit allmählich wiederkehrte, zogen sich die Knoten seiner inneren Verkrampftheit immer enger. Getrieben von seiner Furcht vor Gift und Versagen, dem Gedanken an die ungezählten Menschen, die ihr Leben zur Verstärkung des Sonnenübels lassen mußten, begann er auf den Decks hin und her zu wandern, als versuche er, das Riesen-Schiff kraft seines Willens anzutreiben.
    Doch nach drei Tagen mühseligen Segelns, ständigen Lavierens durch den verwickelten Irrgarten der Winde, schlug das unzuverlässige Wehen in einen stetigen Wind um, der aus Südwesten kam. Blankehans reagierte auf den Wechsel mit einem lautstarken Hallo. Riesen schwärmten in die Wanten, um das Segeltuch neu auszurichten. Die Sternfahrers Schatz drehte um einiges nach Backbord bei, warf den Bug herum wie ein aufs Austoben versessenes, von der Leine befreites Tier und strebte rasch ostwärts. Gischt sprühte an ihren Seiten auf, als wäre sie ein Ausfluß des marmorierten Granits – eines Steins, dessen Form und Muster geschaffen worden war, um im geschwinden Durcheilen der See schwelgerische Erfüllung zu finden. Binnen kurzem lief das Riesen-Schiff wie in unbändiger Freude durch die Wogen.
    »Wie lange wird's so bleiben?« erkundigte sich Covenant bei der Lagerverwalterin, die in seiner Nähe stand.
    Windsbraut verschränkte die Arme auf ihrem wuchtigen Busen und richtete ihren Blick auf die Segel. »In dieser Gegend der Erde«, gab sie zur Antwort, »sind derlei launenhafte Winde wie jene, denen wir just entronnen sind, recht selten. Diesen Wind, der uns nun antreibt, nennen wir Questsimoon . Den Schweifherzwind. Wir werden Ödeiland sichten, ehe er nachläßt.« Obwohl sie in gleichmütigem Ton sprach, glänzten ihre Augen angesichts der weißen Wölbungen des Segeltuchs, des lebhaften Schwellens der Segel.
    Und sie behielt recht. Der Wind blieb stetig, wehte so gleichmäßig aus Südwesten, daß Blankehans am Abend keine Veranlassung sah, die Segel reffen zu lassen. Vollmond war zwar seit einigen Nächten vorüber, und die Sterne spendeten der Fahrt der Dromond nur schwaches Licht; aber der Kapitän entsprach der bedingungslosen Vorrangigkeit der Suche nach dem Einholzbaum, indem er das Schiff mit unverminderter Geschwindigkeit weitersegeln ließ. Der Wind in der Takelage, das Wanken und Schwanken des Decks, das dauernde Platschen und Rauschen des Wassers, vergleichbar mit einem Atem längs der Seiten des riesigen Fahrzeugs, versetzte die Sternfahrers Schatz unter Lindens Füßen ins Schwingen. Immerzu fühlte sie die Dromond nun durch die Wellen atmen, ein Zauberwerk des Steins und der Kunstfertigkeit, vital wie das Timbre des Lebens. Und der gerade Kurs, den der Questsimoon ermöglichte, erlaubte der Besatzung, sich von den vorangegangenen Strapazen zu erholen. Das Tempo verlieh der Ersten ein Aussehen rauher Zufriedenheit, erleichterte Blankehans' Tätigkeit, bis er ab und zu sogar wieder wie ein verspielter Behemoth auf Pechnases Scherze und Herumalbern einging. Gelegentliches Grinsen Ankermeister Derbhands überraschte sogar seinen alten Gram, und die Heilung seines Arms bereitete ihm offensichtliche Freude.
    Aber keine Geschwindigkeit der Dromond oder Wohlgelauntheit der

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