Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der einsame Baum - Covenant 05

Der einsame Baum - Covenant 05

Titel: Der einsame Baum - Covenant 05 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen R. Donaldson
Vom Netzwerk:
Anzeichen ernster körperlicher Beeinträchtigungen. Der emotionale Schaden jedoch war schwer. Irgend etwas in ihm war durch die geballte Kraft der »Prüfung«, der man ihn ausgesetzt, die Zerstörung der Hoffnung, die sein Bruder für ihn gehegt hatte, sowie Covenants grauenvolle Verfassung aus der Verankerung gerissen worden. Er war in Nöten, für die man ihm jede Abhilfe verweigert hatte; und er trug die Bürde seiner Erd-Sicht, als wüßte er, sie würde ihn das Leben kosten. Auch das war etwas, das Linden nicht heilen konnte. Sie vermochte es lediglich zur Kenntnis zu nehmen und Flüche zu murmeln, die keine Wirkung besaßen.
    Die Mehrzahl der Glöckchen waren mittlerweile in den Hintergrund gewichen; zwei jedoch blieben nahebei. Sie waren in eine Diskussion verstrickt: Befriedigung gegen Bedauern. Der Inhalt der Unterhaltung war Linden zugänglich, doch sie verspürte gar nicht länger den Wunsch, die Worte der Glöckchensprache zu verstehen. Sie hatte schlichtweg die Nase voll von Chant und Daphin. Doch die zwei Elohim kamen über den Hügel auf sie zu, und es erwies sich als unmöglich für Linden, sie zu ignorieren. Sie waren ihre letzte Chance. Als sie sich an sie wandte, richtete sie ihre Bitterkeit direkt in Daphins makellos grünen Blick. »Ihr hättet das nicht zu tun brauchen. Ihr hättet uns einfach sagen können, wo der Einholzbaum ist. Es wäre nicht nötig gewesen, seinen Geist zu vergewaltigen. Und ihn dann in so einem Zustand zu lassen.«
    In Chants harten Augen lag ein Ausdruck der Gleichgültigkeit. Seine innere Stimme strotzte von Erleichterung. Von Daphins Bewußtsein dagegen strahlte ein trauriger, sanfter Ton aus, als sie Lindens Blick erwiderte. »Sonnenkundige, du verstehst unser Würd nicht. In deiner Sprache gibt es dafür ein Wort, das eine ungefähr ähnliche Bedeutung besitzt. Es heißt ›Ethik‹.« Herrgott noch mal! brauste Linden innerlich in grämlicher Ablehnung auf. Aber sie beherrschte sich. »Dank unserer Macht«, sprach Daphin weiter, »stehen uns viele Wege offen, die kein Sterblicher zu beurteilen noch uns auf ihnen zu folgen vermag. Manche sind angenehm, andere jedoch schrecklich. Diesmal haben wir einen Weg gewählt, der eine Gleichgewichtigkeit von Hoffnung und Unseligem bietet. Hätten wir allein an uns gedacht, wäre ein Weg größerer Hoffnung von uns beschritten worden, dieweil die Nachteile nicht uns, sondern ausschließlich euch zugefallen wären. Doch wir haben beschlossen, den Preis mit euch zu teilen. Wir setzen unsere Hoffnung aufs Spiel. Und damit auch das, was uns noch kostbarer ist – das Leben und des Lebens Sinn. Wir gehen das Wagnis ein, zu vertrauen. Deshalb haben einige unter uns ...« – es erübrigte sich, Chant beim Namen zu nennen – »darauf gedrängt, einen anderen Weg einzuschlagen. Denn wer seid ihr, daß wir mit euch das Wagnis von Vertrauen und Leben eingehen sollten? Doch an unserem Würd ist nicht zu rütteln. Niemals stand uns danach der Sinn, irgendwelchem Leben Schaden zuzufügen. Da wir keinen Weg der Hoffnung fanden, der nicht auch ein Weg des Unheils war, haben wir den Entschluß gefaßt, einen Weg der Gleichgewichtigkeit zu begehen und den Preis mit euch zu gleichen Teilen zu tragen. Maße dir nicht an, über uns zu urteilen, während du so wenig um die Bedeutsamkeit deiner eigenen Handlungen weißt! Es ist nicht unsere Schuld, daß Sonnenkundige und Ringträger als zwei verschiedene Wesen zu uns gekommen sind.«
    Ach, verdammt! sagte sich Linden. Sie verspürte keinerlei Lust, sich bei Daphin danach zu erkundigen, welchen Preis die Elohim zum Ausgleich für Covenants seelische Auslöschung auf sich nahmen. Sie konnte sich kein gleichwertiges Opfer vorstellen. Und die Tonlage der Glöckchen verriet ihr, daß Daphin keine eindeutige Antwort geben würde. Linden machte nicht noch mehr von ihren geringen Kräften für Auseinandersetzungen oder zwecklose Beschwerden verschwenden. Sie wollte nichts anderes, als den Elohim endlich den Rücken zuwenden, Covenant von hier wegbringen.
    »Fürwahr, es ist höchste Zeit«, sagte Chant wie in Beantwortung einer dementsprechenden Äußerung. »Läge die Entscheidung in meiner Hand, längst hätte ich durch eure Verbannung aus Elemesnedene deine freche Zunge zum Schweigen gebracht.« Sein Tonfall war gelassen; aber seine Augen glänzten von unterdrücktem Vergnügen und Gehässigkeit. »Erlaubt's euch euer Stolz, nun zu gehen, oder wünschst du weitere Torheiten auszusprechen, ehe ihr euch

Weitere Kostenlose Bücher