Der einsame Baum - Covenant 05
verabschiedet?«
Chant, derlei steht dir übel , schalt Daphin deutlich.
Ich kann es nun halten, wie ich mag, antwortete er. Sie können uns nun nichts mehr verwehren.
Linden zog in unbewußter Verkrampfung die Schultern ein, um die aufdringlichen Glöckchenstimmen aus ihrem Bewußtsein zu verscheuchen. In diesem Moment jedoch trat die Erste vor. Eine ihrer Hände umfaßte den Griff des Schwerts. Während des gesamten Elohim -Fests hatte sie sich gezügelt; doch sie war eine ausgebildete Schwertkämpferin, und ihre Miene zeigte nun einen ehernen, finsteren Ausdruck von Gefahr und Kampf. » Elohim, eine Frage bleibt noch zu beantworten!« Linden musterte die Erste verdutzt. Sie hatte das Gefühl, daß der Suche nichts anderes geblieben war als Fragen; trotzdem wußte sie nicht, was die Erste meinte. Die Erste sprach, als erprobe sie ihre Klinge an einem unbekannten Gegner. »Hättet ihr vielleicht die Güte, uns zu enthüllen, was aus Hohl geworden ist?«
Hohl? Im ersten Augenblick sank Lindens Mut vollends. Zuviel war schon geschehen. Der Gedanke an noch eine Heimtücke überforderte sie. Aber sie hatte gar keine Wahl. Wenn sie nicht in Bewegung und am Handeln blieb, die Verantwortung annahm, wie sie gerade kam, mußte sie endgültig zusammenbrechen. Ihr Blick schweifte über den Hügel; aber ihr war bereits klar, daß es nirgends eine Spur von dem Dämondim-Abkömmling zu sehen gab. In plötzlicher, wirrer Erinnerung fiel ihr auf, daß Hohl an dem Elohim -Fest nicht teilgenommen hatte. Seit die Gefährten getrennt worden waren, um einer »Prüfung« unterzogen zu werden, hatte sie ihn nicht mehr gesehen. Nein – er war bereits seit dem Hinauswurf der Haruchai verschwunden. Seitdem hatte seine Abwesenheit sie fortwährend unbewußt beunruhigt; aber sie war nicht dazu imstande gewesen, die Ursache ihres vagen Gefühls der Unvollständigkeit zu ergründen. Linden zitterte, als sie sich an Chant wandte. Sie können uns nun nichts mehr verwehren , hatte er Daphin so klar wie Musik mitgeteilt. Linden hatte angenommen, er bezöge sich damit auf Covenant; doch jetzt sah sie in seiner verhohlenen Schadenfreude einen anderen Sinn. » Das war's also, was ihr gemacht habt.« Einsicht durchlohte sie. »Deshalb habt ihr Cail provoziert – darum habt ihr ständig Streit mit uns gesucht. Um uns von Hohl abzulenken.« Und Hohl war mit seinem üblichen unterschiedslosen Desinteresse in die Falle gegangen. Aber da überlegte sie noch einmal. Nein. Das stimmt nicht. Hohl hatte sich dem Clachan in einer gewissen Erregung genähert, als sei die Aussicht, ihn betreten zu dürfen, für ihn erfreulich. Und die Elohim hatten ihn von Anfang an ignoriert, ihre gegen ihn gerichteten Absichten verheimlicht. »Zum Teufel, was habt ihr mit ihm vor?«
Chants diebisches Vergnügen war nun offenkundig. »Er war für uns eine Gefahr. Seine finsteren Erschaffer haben ihn in die Welt gesetzt, damit er uns schadet. Er war eine Beleidigung unseres Würd, mit großer Bosheit und Gerissenheit ausgeschickt, um uns am Beschreiten unseres Weges zu hindern. Dergleichen werden wir niemals dulden, so wie wir euren törichten Wünschen nicht nachgegeben haben. Er befindet sich in unserer Gefangenschaft. Wir haben seine Gefangennahme im verborgenen angestrebt ...« – nun sprach er, als müsse er lachen –, »um dem verrückten Zorn eures Ringträgers zu entgehen. Nunmehr ist diese Bedrohung abgewendet. Euer Hohl ist unser Gefangener, und weder närrisches Flehen noch lächerliche Empörung Sterblicher vermögen seine Freilassung zu erwirken.« Seine Augen glänzten. »So ist das Ärgernis vergolten, das ihr uns zu bereiten versucht habt. Bedenke die Gerechtigkeit unserer Maßnahmen und sei still!«
Linden konnte es nicht länger aushalten. Zur Täuschung setzte sie eine ernste Miene auf, um sich nicht zu verraten, dann sprang sie Chant an. Er hielt sie mit einer lässigen Gebärde auf Abstand, und sie taumelte zurück. Sie prallte gegen Covenant, und er fiel auf den harten Untergrund, tat nichts, um sich abzufangen. Sein Gesicht schlug in den Dreck. Die Riesen regten sich nicht. Chants Geste hatte sie handlungsunfähig gemacht. Die Erste bemühte sich, ihren Pallasch zu ziehen. Seeträumer und Blankehans versuchten Chant anzugreifen. Aber sie konnten sich kaum rühren. Linden kroch zu Covenant, zog ihn hoch. »Bitte.« Zwecklos bettelte sie ihn an, als hätte Chants Gewalt sie um den Verstand gebracht. »Entschuldige. Wach auf! Sie haben Hohl
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