Der Einsatz
Kräften bemühte, fröhlich zu wirken, und Harry begriff, dass sein britischer Freund Jackie mit ihrer Reitgerte, ihren hohen Stiefeln und all ihrem unfassbaren Mut wirklich geliebt haben musste. Das machte sein Mitleid mit Adrian nur noch größer, änderte aber nichts an dem, was er ihm zu sagen hatte.
«Dein Freund Atwan wandert in den Knast», sagte Harry.
«Was meinst du denn mit ‹Knast›, alter Junge? Der Mann ist unser bestes Pferd im Stall.»
«Genau das, was ich gesagt habe. Es hat sich herausgestellt, dass Al-Majnoun für ihn gearbeitet hat. Der Mann, der deine Leute vom
Increment
auf dem Gewissen hat, war im Auftrag deines Gönners unterwegs. Das wollte Jackie dir am Ende noch sagen. Er ist jetzt bei ihm. Dein guter Freund Kamal beherbergt einen Killer bei sich. Anders kann man das nicht formulieren. Und er wird verhaftet werden.»
Einen Augenblick blieb es mucksmäuschenstill am anderen Ende der Leitung. Harry spürte Adrians Panik und seinen Zorn.
«Sag das nochmal, Harry. Ich will sicher sein, dass ich es auch richtig verstanden habe.»
«Al-Majnoun ist hier. Hier in Atwans Stadthaus an der Mount Street. Du musst den MI5 und die Staatssicherheit benachrichtigen, und zwar unverzüglich.»
«Das ist ein bisschen viel verlangt, Harry.»
«So viel nun auch wieder nicht. Sie wissen bereits Bescheid und sind auf dem Weg, um die beiden festzunehmen. Genau deshalb rufe ich dich ja an, Bruder. Wenn du nicht sofort zum Hörer greifst und den MI5 und Scotland Yard anrufst, wirst du ebenfalls eingebuchtet.»
«Verstehe», sagte Adrian. Einen Augenblick lang schien er nach Atem zu ringen, fing sich aber rasch wieder.
«Du glaubst, du kannst das alles aufhalten, Harry, aber das wirst du nicht schaffen. Wer, glaubst du denn, hält Atwan im Geschäft? Glaubst du vielleicht, das bin ich? Das ist ja wohl ein Witz. Ich sammle nur die paar losen Bonbons auf, die hin und wieder von Atwans Lieferwagen fallen. Er kann sich hier halten, weil er Freunde an höchster Stelle hat, die der Ansicht sind, dass er eine Bereicherung für dieses Land ist. Aus Gründen der sogenannten Staatsräson, alter Junge. Moral spielt da keine Rolle. Und dagegen können weder du noch ich etwas unternehmen.»
«O doch. Ich habe bereits etwas unternommen. Es ist vorbei.»
«Nichts ist jemals vorbei, Harry.»
Harry beendete das Gespräch und schob das Handy zurück in die Tasche. Er bestellte sich einen Kaffee, merkte aber schon nach dem ersten Schluck, dass er eigentlich keine Lust darauf hatte. Inzwischen hatte es wieder aufgehört zuregnen. Harry trat nach draußen auf die Straße und ging sie immer weiter entlang, vorbei an den grauen Betonbauten. Die blinkenden Neonlichter des Piccadilly Circus wiesen ihm den Weg.
Danksagung
Der reale Iran wird uns noch jahrzehntelang in Atem halten, doch in diesem Roman geht es um ein erfundenes Land. Alles darin ist reine Fiktion, und sämtliche Personen, Firmen und Institutionen, die in diesem Buch vorkommen, existieren so nicht in der wirklichen Welt. Jeder, der in dieser erfundenen Geschichte nach realen Geheimdiensteinsätzen sucht, sitzt einer Illusion auf.
Während ich mir diesen Phantasie-Iran ausgedacht habe, konnte ich auf die Hilfe etlicher Menschen und Quellen zurückgreifen. Azar Nafisi von der John Hopkins University war so nett, sich mit mir über iranische Literatur zu unterhalten, und stellte mir die hervorragenden englischsprachigen Neuübersetzungen der klassischen Werke
Schahnameh
von Abu l-Qasem Firdausi und
Mein Onkel Napoleon
von Iraj Pezeshkzad zur Verfügung. Mein Freund Karim Sadjadpour von der Carnegie-Friedensstiftung hat das Manuskript gelesen und viele wertvolle Hinweise gegeben. Doktor John R. Harvey, der bei der Nationalen Dienststelle für Nukleare Sicherheit als Physiker tätig ist, hat mich an die öffentlich zugängliche Literatur über Neutronenquellen und weitere Aspekte der Waffentechnologie herangeführt. Andere Freunde und Quellen, die hier ungenannt bleiben sollen, haben mir weitere Einsicht in das Rätsel Iran verschafft.
Beim Kreieren meines fiktiven Bildes des Iran griff ich aufdie visuellen und optischen Eindrücke einer zweiwöchigen Reise dorthin zurück, die ich 2006 im Auftrag der
Washington Post
unternahm. Außerdem konnte ich mich auf einige hervorragende Bücher stützen: Christopher de Bellaigue bietet in seinem Buch
Im Rosengarten der Märtyrer
(C. H. Beck, München, 2006) einen großartigen persönlichen Einblick in das
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