Der Einzige und sein Eigentum (German Edition)
seiner Vollendung ringenden Menschen«. (»Darum sollt Ihr vollkommen sein, wie Euer Vater im Himmel vollkommen ist« . Matth. V, 48.): es besteht in der Fixierung eines Ideals , eines Absoluten. Die Vollkommenheit ist das »höchste Gut«, der finis bonorum; das Ideal eines Jeden ist der vollkommene Mensch, der wahre, der freie Mensch usw.
Die Bestrebungen der Neuzeit zielen dahin, das Ideal des »freien Menschen« aufzustellen. Könnte man's finden, gäb's eine neue – Religion, weil ein neues Ideal, gäbe ein neues Sehnen, ein neues Abquälen, eine neue Andacht, eine neue Gottheit, eine neue Zerknirschung.
Mit dem Ideal der »absoluten Freiheit« wird dasselbe Unwesen getrieben, wie mit allem Absoluten, und nach Heß z. B. soll sie »in der absoluten menschlichen Gesellschaft realisierbar sein«. Ja diese Verwirklichung wird gleich nachher ein »Beruf« genannt; ebenso bestimmt er dann die Freiheit als »Sittlichkeit«: es soll das Reich der »Gerechtigkeit« (d. i. Gleichheit) und »Sittlichkeit« (d. i. Freiheit) beginnen usw.
Lächerlich ist, wer, während Genossen seines Stammes, Familie, Nation usw. viel gelten, – nichts ist als »aufgebläht« über der Genossen Verdienst; verblendet aber auch derjenige, der nur »Mensch« sein will. Keiner von ihnen setzt seinen Wert in die Ausschließlichkeit , sondern in die Verbundenheit oder in das »Band«, welches ihn mit Andern zusammenschließt, in die Blutsbande, Nationalbande, Menschheitsbande.
Durch die heurigen »Nationalen« ist der Streit wieder rege geworden zwischen denen, welche bloß menschliches Blut und menschliche Blutsbande zu haben meinen, und den andern, welche auf ihr spezielles Blut und die speziellen Blutsbande pochen.
Sehen Wir davon ab, daß Stolz eine Überschätzung ausdrücken könnte, und nehmen Wir's allein für Bewußtsein, so findet sich ein ungeheurer Abstand zwischen dem Stolze darauf, einer Nation »anzugehören«, also ihr Eigentum zu sein, und dem, eine Nationalität sein Eigentum zu nennen. Die Nationalität ist meine Eigenschaft, die Nation aber meine Eignerin und Herrin. Hast Du Körperstärke, so kannst Du sie geeigneten Ortes anwenden und auf sie ein Selbstgefühl oder Stolz haben; hat hingegen dein starker Körper Dich, so juckt er Dich überall und am ungeeignetsten Orte, seine Stärke zu zeigen: Du kannst Keinem die Hand geben, ohne sie ihm zu drücken.
Die Einsicht, daß man mehr als Familienglied, mehr als Stammesgenosse, mehr als Volksindividuum usw. sei, hat endlich dahin geführt zu sagen: man ist mehr als alles dies, weil man Mensch ist, oder: der Mensch ist mehr als der Jude, Deutsche usw. »Darum sei Jeder ganz und allein – Mensch!« Konnte man nicht lieber sagen: Weil Wir mehr als das Angegebene sind, darum wollen Wir sowohl dies als auch jenes »mehr« sein? Also Mensch und Deutscher, Mensch und ein Welfe usw.? Die Nationalen haben Recht; man kann seine Nationalität nicht verleugnen, und die Humanen haben Recht: man muß nicht in der Borniertheit des Nationalen bleiben. In der Einzigkeit löst sich der Widerspruch: das Nationale ist meine Eigenschaft. Ich aber gehe nicht in meiner Eigenschaft auf, wie auch das Menschliche meine Eigenschaft ist, Ich aber dem Menschen erst durch meine Einzigkeit Existenz gebe.
Die Geschichte sucht den Menschen: er ist aber Ich, Du, Wir. Gesucht als ein mysteriöses Wesen , als das Göttliche, erst als der Gott, dann als der Mensch (die Menschlichkeit, Humanität und Menschheit), wird er gefunden als der Einzelne, der Endliche, der Einzige.
Ich bin Eigner der Menschheit, bin die Menschheit und tue nichts für das Wohl einer andern Menschheit. Tor, der Du eine einzige Menschheit bist, daß Du Dich aufspreizest, für eine andere, als Du selbst bist, leben zu wollen.
Das bisher betrachtete Verhältnis Meiner zur Menschenwelt bietet einen solchen Reichtum an Erscheinungen dar, daß es bei anderen Gelegenheiten wieder und wieder aufgenommen, hier aber, wo es nur im Großen anschaulich gemacht werden sollte, abgebrochen werden muß, um einer Auffassung zweier andern Seiten, nach denen hin es ausstrahlt, Platz zu machen. Da Ich Mich nämlich nicht bloß zu den Menschen, soweit sie den Begriff »Mensch« in sich darstellen oder Menschenkinder sind (Kinder des Menschen, wie von Kindern Gottes geredet wird), in Beziehung finde, sondern auch zu dem, was sie von dem Menschen haben und ihr Eigenes nennen, also Mich nicht allein auf das, was sie durch den Menschen sind, sondern auch
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