Der Einzige und sein Eigentum (German Edition)
meine Freiheit. Es macht ja meine Lust und mein Glück aus, Mich an seinem Glücke und seiner Lust zu laben. Aber Mich , Mich selbst opfere Ich ihm nicht, sondern bleibe Egoist und – genieße ihn. Wenn ich ihm Alles opfere, was Ich ohne die Liebe zu ihm behalten würde, so ist das sehr einfach und sogar gewöhnlicher im Leben, als es zu sein scheint; aber es beweist nichts weiter, als daß diese eine Leidenschaft in Mir mächtiger ist, als alle übrigen. Dieser Leidenschaft alle andern zu opfern, lehrt auch das Christentum. Opfere Ich aber einer Leidenschaft andere, so opfere Ich darum noch nicht Mich , und opfere nichts von dem, wodurch Ich wahrhaft Ich selber bin, nicht meinen eigentlichen Wert, meine Eigenheit . Wo dieser schlimme Fall eintritt, da sieht's um nichts besser mit der Liebe aus, als mit irgend welcher andern Leidenschaft, der Ich blindlings gehorche. Der Ehrgeizige, der vom Ehrgeiz fortgerissen wird und gegen jede Warnung, welche ein ruhiger Augenblick in ihm erzeugt, taub bleibt, der hat diese Leidenschaft zu einer Zwingherrin anwachsen lassen, wider die er jede Macht der Auflösung verloren gibt: er hat sich selbst aufgegeben, weil er sich nicht auflösen , mithin nicht aus ihr erlösen kann: er ist besessen.
Ich liebe die Menschen auch, nicht bloß einzelne, sondern jeden. Aber Ich liebe sie mit dem Bewußtsein des Egoismus; Ich liebe sie, weil die Liebe Mich glücklich macht, Ich liebe, weil Mir das Lieben natürlich ist, weil Mir's gefällt. Ich kenne kein »Gebot der Liebe«. Ich habe Mitgefühl mit jedem fühlenden Wesen, und ihre Qual quält, ihre Erquickung erquickt auch Mich: töten kann Ich sie, martern nicht. Dagegen sinnt der hochherzige, tugendhafte Philisterfürst Rudolf in den Mysterien von Paris, weil ihn die Bösen »entrüsten«, auf ihre Marter. Jenes Mitgefühl beweist nur, daß das Gefühl der Fühlenden auch das meinige, mein Eigentum, ist, wogegen das erbarmungslose Verfahren des »Rechtlichen« (z. B. gegen den Notar Ferrand) der Gefühllosigkeit jenes Räubers gleicht, welcher nach dem Maße seiner Bettstelle den Gefangenen die Beine abschnitt oder ausreckte: Rudolfs Bettstelle, wonach er die Menschen zuschneidet, ist der Begriff des »Guten«. Das Gefühl für Recht, Tugend usw. macht hartherzig und intolerant. Rudolf fühlt nicht wie der Notar, sondern umgekehrt, er fühlt, daß »dem Bösewicht Recht geschieht«; das ist kein Mitgefühl.
Ihr liebt den Menschen, darum peinigt Ihr den einzelnen Menschen, den Egoisten; eure Menschenliebe ist Menschenquälerei.
Sehe Ich den Geliebten leiden, so leide Ich mit, und es läßt Mir keine Ruhe, bis Ich Alles versucht habe, um ihn zu trösten und aufzuheitern; sehe Ich ihn froh, so werde auch Ich über seine Freude froh. Daraus folgt nicht, daß Mir dieselbe Sache Leiden oder Freude verursacht, welche in ihm diese Wirkung hervorruft, wie schon jeder körperliche Schmerz beweist, den Ich nicht wie er fühle: ihn schmerzt sein Zahn, Mich aber schmerzt sein Schmerz.
Weil Ich aber die kummervolle Falte auf der geliebten Stirn nicht ertragen kann, darum, also um Meinetwillen, küsse Ich sie weg. Liebte Ich diesen Menschen nicht, so möchte er immerhin Falten ziehen, sie kümmerten Mich nicht; Ich verscheuche nur meinen Kummer.
Wie nun, hat irgendwer oder irgendwas, den und das Ich nicht liebe, ein Recht darauf, von Mir geliebt zu werden? Ist meine Liebe das Erste oder ist sein Recht das Erste? Eltern, Verwandte, Vaterland, Volk, Vaterstadt usw., endlich überhaupt die Mitmenschen (»Brüder, Brüderlichkeit«) behaupten ein Recht auf meine Liebe zu haben und nehmen sie ohne Weiteres in Anspruch. Sie sehen sie als ihr Eigentum an und Mich, wenn Ich dasselbe nicht respektiere, als Räuber, der ihnen entzieht, was ihnen zukommt und das Ihre ist. Ich soll lieben. Ist die Liebe ein Gebot und Gesetz, so muß Ich dazu erzogen, herangebildet und, wenn Ich dagegen Mich vergehe, gestraft werden. Man wird daher einen möglichst starken »moralischen Einfluß« auf Mich ausüben, um Mich zum Lieben zu bringen. Und es ist kein Zweifel, daß man die Menschen zur Liebe aufkitzeln und verführen kann wie zu andern Leidenschaften, z. B. gleich zum Hasse. Der Haß zieht sich durch ganze Geschlechter, bloß weil die Ahnen des einen zu den Guelfen, die des andern zu den Ghibellinen gehörten.
Aber die Liebe ist kein Gebot, sondern, wie jedes meiner Gefühle, mein Eigentum . Erwerbt , d. h. erkauft mein Eigentum, dann lasse Ich's Euch ab. Eine Kirche,
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