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Der Einzige und sein Eigentum (German Edition)

Der Einzige und sein Eigentum (German Edition)

Titel: Der Einzige und sein Eigentum (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Max Stirner
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ein Kreidepunkt zu dem gedachten Punkte, oder wie ein – endliches Geschöpf zum ewigen Schöpfer, oder nach neuerer Ansicht, wie das Exemplar zur Gattung. Hier kommt denn die Verherrlichung der »Menschheit« zum Vorschein, der »ewigen, unsterblichen«, zu deren Ehre (in maiorem humanitatis gloriam) der Einzelne sich hingeben und seinen »unsterblichen Ruhm« darin finden muß, für den »Menschheitsgeist« etwas getan zu haben.
    So herrschen die Denkenden in der Welt, so lange die Pfaffen- oder Schulmeister-Zeit dauert, und was sie sich denken, das ist möglich, was aber möglich ist, das muß verwirklicht werden. Sie denken sich ein Menschen-Ideal, das einstweilen nur in ihren Gedanken wirklich ist; aber sie denken sich auch die Möglichkeit seiner Ausführung, und es ist nicht zu streiten, die Ausführung ist wirklich – denkbar, sie ist eine – Idee.
    Aber Ich und Du, Wir mögen zwar Leute sein, von denen sich ein Krummacher denken kann, daß Wir noch gute Christen werden könnten; wenn er Uns indes »bearbeiten« wollte, so würden Wir ihm bald fühlbar machen, daß unsere Christlichkeit nur denkbar , sonst aber unmöglich ist: er würde, grinste er Uns fort und fort mit seinen zudringlichen Gedanken , seinem »guten Glauben«, an, erfahren müssen, daß Wir gar nicht zu werden brauchen , was Wir nicht werden mögen.
    Und so geht es fort, weit über die Frömmsten und Frommen hinaus. »Wenn alle Menschen vernünftig wären, wenn Alle das Rechte täten, wenn Alle von Menschenliebe geleitet würden usw.«! Vernunft, Recht, Menschenliebe usw. wird als der Menschen Beruf, als Ziel ihres Trachtens ihnen vor Augen gestellt. Und was heißt vernünftig sein? Sich selbst vernehmen? Nein, die Vernunft ist ein Buch voll Gesetze, die alle gegen den Egoismus gegeben sind.
    Die bisherige Geschichte ist die Geschichte des geistigen Menschen. Nach der Periode der Sinnlichkeit beginnt die eigentliche Geschichte, d. h. die Periode der Geistigkeit, Geistlichkeit, Unsinnlichkeit, Übersinnlichkeit, Unsinnigkeit. Der Mensch fängt nun an, etwas sein und werden zu wollen. Was? Gut, schön, wahr; näher sittlich, fromm, wohlgefällig usw. Er will einen »rechten Menschen«, »etwas Rechtes« aus sich machen. Der Mensch ist sein Ziel, sein Sollen, seine Bestimmung, Beruf, Aufgabe, sein – Ideal : er ist sich ein Zukünftiger, Jenseitiger. Und was macht aus ihm einen »rechten Kerl«? Das Wahrsein, Gutsein, Sittlichkeit u. dgl. Nun sieht er jeden scheel an, der nicht dasselbe »Was« anerkennt, dieselbe Sittlichkeit sucht, denselben Glauben hat: er verjagt die »Separatisten, Ketzer, Sekten« usw.
    Kein Schaf, kein Hund bemüht sich, ein »rechtes Schaf, ein rechter Hund« zu werden; keinem Tier erscheint sein Wesen als eine Aufgabe, d. h. als ein Begriff, den es zu realisieren habe. Es realisiert sich, indem es sich auslebt, d. h. auflöst, vergeht. Es verlangt nicht, etwas Anderes zu sein oder zu werden, als es ist.
    Will Ich Euch raten, den Tieren zu gleichen? Daß Ihr Tiere werden sollt, dazu kann Ich wahrlich nicht ermuntern, da dies wieder eine Aufgabe, ein Ideal wäre (»Im Fleiß kann Dich die Biene meistern«). Auch wäre es dasselbe, als wünschte man den Tieren, daß sie Menschen werden. Eure Natur ist nun einmal eine menschliche, Ihr seid menschliche Naturen, d. h. Menschen. Aber eben weil Ihr das bereits seid, braucht Ihr's nicht erst zu werden. Auch Tiere werden »dressiert«, und ein dressiertes Tier leistet mancherlei Unnatürliches. Nur ist ein dressierter Hund für sich nichts besseres, als ein natürlicher, und hat keinen Gewinn davon, wenn er auch für Uns umgänglicher ist.
    Von jeher waren die Bemühungen im Schwange, alle Menschen zu sittlichen, vernünftigen, frommen, menschlichen u. dgl. »Wesen zu bilden«, d. h. die Dressur. Sie scheitern an der unbezwinglichen Ichheit, an der eigenen Natur, am Egoismus. Die Abgerichteten erreichen niemals ihr Ideal und bekennen sich nur mit dem Munde zu den erhabenen Grundsätzen, oder legen ein Bekenntnis , ein Glaubensbekenntnis, ab. Diesem Bekenntnisse gegenüber müssen sie im Leben sich »allzumal für Sünder erkennen« und bleiben hinter ihrem Ideal zurück, sind »schwache Menschen« und tragen sich mit dem Bewußtsein der »menschlichen Schwachheit«.
    Anders, wenn Du nicht einem Ideal , als deiner »Bestimmung«, nachjagst, sondern Dich auflösest, wie die Zeit alles auflöst. Die Auflösung ist nicht deine »Bestimmung«, weil sie Gegenwart ist.
    Doch hat die

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