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Der Einzige und sein Eigentum (German Edition)

Der Einzige und sein Eigentum (German Edition)

Titel: Der Einzige und sein Eigentum (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Max Stirner
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vernünftigen Menschen zu machen«.
    Ja, »wenn die Menschen wären, wie sie sein sollten , sein könnten , wenn alle Menschen vernünftig wären, alle einander als Brüder liebten«, dann wär's ein paradiesisches Leben. – Wohlan, die Menschen sind, wie sie sein sollen, sein können. Was sollen sie sein? Doch wohl nicht mehr als sie sein können! Und was können sie sein? Auch eben nicht mehr als sie – können, d. h. als sie das Vermögen, die Kraft zu sein haben. Das aber sind sie wirklich, weil, was sie nicht sind, sie zu sein nicht imstande sind : denn imstande sein heißt – wirklich sein. Man ist nichts imstande, was man nicht wirklich ist, man ist nichts imstande zu tun, was man nicht wirklich tut. Könnte ein am Star Erblindeter sehen? O ja, wenn er sich den Star glücklich stechen ließe. Allein jetzt kann er nicht sehen, weil er nicht sieht. Möglichkeit und Wirklichkeit fallen immer zusammen. Man kann nichts, was man nicht tut, wie man nichts tut, was man nicht kann.
    Die Sonderbarkeit dieser Behauptung verschwindet, wenn man erwägt, daß die Worte »es ist möglich, daß usw.« fast nie einen andern Sinn in sich bergen, als diesen: »Ich kann Mir denken, daß usw.« z. B. Es ist möglich, daß alle Menschen vernünftig leben, d. h. Ich kann Mir denken, daß alle usw. Da nun mein Denken nicht bewirken kann, mithin auch nicht bewirkt, daß alle Menschen vernünftig leben, sondern dies den Menschen selbst überlassen bleiben muß, so ist die allgemeine Vernunft für Mich nur denkbar, eine Denkbarkeit, als solche aber in der Tat eine Wirklichkeit , die nur in Bezug auf das, was Ich nicht machen kann , nämlich die Vernünftigkeit der Andern, eine Möglichkeit genannt wird. So weit es von Dir abhängt, könnten alle Menschen vernünftig sein, denn Du hast nichts dagegen, ja so weit dein Denken reicht, kannst Du vielleicht auch kein Hindernis entdecken, und mithin steht auch in deinem Denken der Sache nichts entgegen: sie ist Dir denkbar.
    Aber da die Menschen nun doch nicht alle vernünftig sind, so werden sie es auch wohl – nicht sein können.
    Ist oder geschieht etwas nicht, wovon man sich vorstellt, es wäre doch leicht möglich, so kann man versichert sein, es stehe der Sache etwas im Wege und sie sei – unmöglich. Unsere Zeit hat ihre Kunst, Wissenschaft usw.: die Kunst mag herzlich schlecht sein; darf man aber sagen, Wir verdienten eine bessere zu haben und »könnten« sie haben, wenn Wir nur wollten? Wir haben gerade so viel Kunst, als Wir haben können. Unsere heutige Kunst ist die dermalen einzig mögliche und darum wirkliche.
    Selbst in dem Verstande, worauf man das Wort »möglich«, zuletzt noch reduzieren könnte, daß es »zukünftig« bedeute, behält es die volle Kraft des »Wirklichen«. Sagt man z. B. Es ist möglich, daß morgen die Sonne aufgeht, – so heißt dies nur: für das Heute ist das Morgen die wirkliche Zukunft; denn es bedarf wohl kaum der Andeutung, daß eine Zukunft nur dann wirkliche »Zukunft« ist, wenn sie noch nicht erschienen ist.
    Jedoch wozu diese Würdigung eines Wortes? Hielte sich nicht der folgenreichste Mißverstand von Jahrtausenden dahinter versteckt, spukte nicht aller Spuk der besessenen Menschen in diesem einzigen Begriffe des Wörtleins »möglich«, so sollte Uns seine Betrachtung hier wenig kümmern.
    Der Gedanke, wurde eben gezeigt, beherrscht die besessene Welt. Nun denn, die Möglichkeit ist nichts anders, als die Denkbarkeit, und der gräßlichen Denkbarkeit sind seither unzählige Opfer gefallen. Es war denkbar , daß die Menschen vernünftig werden könnten, denkbar, daß sie Christum erkennen, denkbar, daß sie für das Gute sich begeistern und sittlich werden, denkbar, daß sie alle in den Schoß der Kirche sich flüchten, denkbar, daß sie nichts Staatsgefährliches sinnen, sprechen und tun, denkbar, daß sie gehorsame Untertanen sein könnten : darum aber, weil es denkbar war, war es – so lautete der Schluß – möglich, und weiter, weil es den Menschen möglich war (hier eben liegt das Trügerische: weil es Mir denkbar ist, ist es den Menschen möglich), so sollten sie es sein, so war es ihr Beruf ; und endlich – nur nach diesem Berufe, nur als Berufene , hat man die Menschen zu nehmen, nicht »wie sie sind, sondern wie sie sein sollen«.
    Und der weitere Schluß? Nicht der Einzelne ist der Mensch, sondern ein Gedanke , ein Ideal ist der Mensch, zu dem der Einzelne sich nicht einmal so verhält, wie das Kind zum Manne, sondern wie

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