Der Einzige und sein Eigentum (German Edition)
sich vom Gefürchteten zu befreien durch List, Betrug, Pfiffe usw. Dagegen ist's in der Ehrfurcht ganz anders. Hier wird nicht bloß gefürchtet, sondern auch geehrt: das Gefürchtete ist zu einer innerlichen Macht geworden, der Ich Mich nicht mehr entziehen kann; Ich ehre dasselbe, bin davon eingenommen, ihm zugetan und angehörig: durch die Ehre, welche Ich ihm zolle, bin Ich vollständig in seiner Gewalt, und versuche die Befreiung nicht einmal mehr. Nun hänge ich mit der ganzen Kraft des Glaubens daran, Ich glaube . Ich und das Gefürchtete sind Eins: »nicht Ich lebe, sondern das Respektierte lebt in Mir!« Weil der Geist, das Unendliche, kein Ende nehmen läßt, darum ist er stationär: er fürchtet das Sterben , er kann von seinem Jesulein nicht lassen, die Größe der Endlichkeit wird von seinem geblendeten Auge nicht mehr erkannt: das nun zur Verehrung gesteigerte Gefürchtete darf nicht mehr angetastet werden: die Ehrfurcht wird verewigt, das Respektierte wird vergöttert. Der Mensch ist nun nicht mehr schaffend, sondern lernend (wissend, forschend usw.), d. h. beschäftigt mit einem festen Gegenstande , sich vertiefend in ihn, ohne Rückkehr zu sich selber. Das Verhältnis zu diesem Gegenstande ist das des Wissens, des Ergründens und Begründens usw., nicht das des Auflösens (Abschaffens usw.). »Religiös soll der Mensch sein«, das steht fest; daher beschäftigt man sich nur mit der Frage, wie dies zu erreichen, welches der rechte Sinn der Religiosität usw. Ganz anders, wenn man das Axiom selbst fraglich macht und in Zweifel zieht, und sollte es auch über den Haufen stürzen. Sittlichkeit ist auch solch eine heilige Vorstellung: sittlich müsse man sein, und müsse nur das rechte Wie, die rechte Art es zu sein, aufsuchen. An die Sittlichkeit selbst wagt man sich nicht mit der Frage, ob sie nicht selbst ein Truggebilde sei: sie bleibt über allem Zweifel erhaben, unwandelbar. Und so geht es fort mit dem Heiligen, Stufe für Stufe, vom »Heiligen« bis zum »Hochheiligen«.
Man teilt mitunter die Menschen in zwei Klassen, in Gebildete und Ungebildete . Die ersteren beschäftigten sich, soweit sie ihres Namens würdig waren, mit Gedanken, mit dem Geiste, und forderten, weil sie in der nachchristlichen Zeit, deren Prinzip eben der Gedanke ist, die Herrschenden waren, für die von ihnen anerkannten Gedanken einen unterwürfigen Respekt. Staat, Kaiser, Kirche, Gott, Sittlichkeit, Ordnung usw. sind solche Gedanken oder Geister, die nur für den Geist sind. Ein bloß lebendiges Wesen, ein Tier, kümmert sich um sie so wenig als ein Kind. Allein die Ungebildeten sind wirklich nichts als Kinder, und wer nur seinen Lebensbedürfnissen nachhängt, ist gleichgültig gegen jene Geister; weil er aber auch schwach gegen dieselben ist, so unterliegt er ihrer Macht, und wird beherrscht von – Gedanken. Dies ist der Sinn der Hierarchie.
Hierarchie ist Gedankenherrschaft , Herrschaft des Geistes!
Hierarchisch sind Wir bis auf den heutigen Tag, unterdrückt von denen, welche sich auf Gedanken stützen. Gedanken sind das Heilige.
Immer aber stoßen Beide aneinander, der Gebildete an den Ungebildeten, wie umgekehrt, und zwar nicht bloß im Anrennen zweier Menschen, sondern in ein und demselben Menschen. Denn kein Gebildeter ist so gebildet, daß er nicht auch an den Dingen Freude fände, mithin ungebildet wäre, und kein Ungebildeter ist ganz ohne Gedanken. Bei Hegel kommt endlich zu Tage, welche Sehnsucht gerade der Gebildetste nach den Dingen hat, und welchen Abscheu er vor jeder »hohlen Theorie« hegt. Da soll dem Gedanken ganz und gar die Wirklichkeit, die Welt der Dinge, entsprechen und kein Begriff ohne Realität sein. Dies verschaffte Hegels System den Namen des objektivsten, als feierten darin Gedanke und Ding ihre Vereinigung. Aber es war dies eben nur die äußerste Gewaltsamkeit des Denkens, die höchste Despotie und Alleinherrschaft desselben, der Triumph des Geistes, und mit ihm der Triumph der Philosophie . Höheres kann die Philosophie nicht mehr leisten, denn ihr Höchstes ist die Allgewalt des Geistes , die Allmacht des Geistes.
Die geistlichen Menschen haben sich Etwas in den Kopf gesetzt , was realisiert werden soll. Sie haben Begriffe von Liebe, Güte u. dergl., die sie verwirklicht sehen möchten; darum wollen sie ein Reich der Liebe auf Erden errichten, worin Keiner mehr aus Eigennutz, sondern Jeder »aus Liebe« handelt. Die Liebe soll herrschen . Was sie sich in den Kopf gesetzt haben, wie
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