Der Einzige und sein Eigentum (German Edition)
will, gebe Ich nicht mit dem Anspruche auf Gründlichkeit oder auch nur auf Bewährtheit, sondern lediglich darum, weil Mich dünkt, sie könne zur Verdeutlichung des Übrigen beitragen.
Die Weltgeschichte, deren Gestaltung eigentlich ganz dem kaukasischen Menschenstamm angehört, scheint bis jetzt zwei kaukasische Weltalter durchlaufen zu haben, in deren erstem Wir Unsere angeborne Negerhaftigkeit aus- und abzuarbeiten hatten, worauf im zweiten die Mongolenhaftigkeit (das Chinesentum) folgte, dem gleichfalls endlich ein Ende mit Schrecken gemacht werden muß. Die Negerhaftigkeit stellt dar das Altertum , die Zeit der Abhängigkeit von den Dingen (vom Hahnenfraß, Vögelflug, vom Niesen, von Donner und Blitz, vom Rauschen heiliger Bäume usw.); die Mongolenhaftigkeit die Zeit der Abhängigkeit von Gedanken, die christliche . Der Zukunft sind die Worte vorbehalten: Ich bin Eigner der Welt der Dinge, und Ich bin Eigner der Welt des Geistes.
Ins negerhafte Weltalter fallen die Züge des Sesostris und die Bedeutsamkeit Ägyptens und Nordafrikas überhaupt. Dem mongolenhaften Weltalter gehören die Hunnen- und Mongolenzüge an, bis herauf zu den Russen.
Der Wert Meiner kann unmöglich hoch angeschlagen werden, solange der harte Demant des Nicht – Ich so gewaltig im Preise steht, wie dies sowohl mit dem Gotte als mit der Welt der Fall war. Das Nicht-Ich ist noch zu körnig und unbezwinglich, um von mir verzehrt und absorbiert zu werden; vielmehr kriechen die Menschen nur auf diesem Unbeweglichen , d. h. auf dieser Substanz mit außerordentlicher Geschäftigkeit herum, wie Schmarotzertierchen auf einem Leibe, von dessen Säften sie Nahrung ziehen, ohne ihn darum aufzuzehren. Es ist die Geschäftigkeit des Ungeziefers, die Betriebsamkeit der Mongolen. Bei den Chinesen bleibt ja Alles beim Alten, und nichts »Wesentliches« oder »Substanzielles« unterliegt einer Veränderung; desto rühriger arbeiten sie an dem Bleibenden, welches den Namen des »Alten«, der »Vorfahren« usw. führt, herum.
Sonach ist in unserem mongolischen Weltalter alle Veränderung nur eine reformatorische oder ausbessernde, keine destruktive oder verzehrende und vernichtende gewesen. Die Substanz, das Objekt bleibt . All unsere Betriebsamkeit war nur Ameisentätigkeit und Flohsprung, Jongleurkünste auf dem unbeweglichen Seile des Objektiven, Frondienst unter der Herrschaft des Unveränderlichen oder »Ewigen«. Die Chinesen sind wohl das positivste Volk, weil ganz in Satzungen vergraben; aus dem Positiven ist aber auch das christliche Weltalter nicht herausgekommen, d. h. aus der »beschränkten Freiheit«, der Freiheit »innerhalb gewisser Schranken«. Auf der vorgeschrittensten Bildungsstufe verdient diese Tätigkeit den Namen der wissenschaftlichen , des Arbeitens auf einer unbewegten Voraussetzung, einer unumstößlichen Hypothese .
In ihrer ersten und unverständlichsten Form gibt sich die Sittlichkeit als Gewohnheit . Nach seines Landes Sitte und Gewohnheit handeln – heißt da sittlich sein. Darum wird ein reines sittliches Handeln, eine lautere, unverfälschte Sittlichkeit am schlichtesten in China geübt: man bleibt bei der alten Gewohnheit und Sitte, und haßt als todeswürdiges Verbrechen jegliche Neuerung. Denn die Neuerung ist der Todfeind der Gewohnheit , des Alten , der Beharrlichkeit . Es unterliegt auch in der Tat keinem Zweifel, daß der Mensch sich durch Gewohnheit gegen die Zudringlichkeit der Dinge, der Welt, sichert und eine eigene Welt gründet, in welcher er allein heimisch und zu Hause ist, d. h. sich einen Himmel erbaut. Hat ja doch der »Himmel« keinen andern Sinn, als den, daß er die eigentliche Heimat des Menschen sei, worin ihn nichts Fremdes mehr bestimmt und beherrscht, kein Einfluß des Irdischen mehr ihn selbst entfremdet, kurz worin die Schlacken des Irdischen abgeworfen sind und der Kampf gegen die Welt ein Ende gefunden hat, worin ihm also nichts mehr versagt ist. Der Himmel ist das Ende der Entsagung , er ist der freie Genuß . Dort versagt sich der Mensch nichts mehr, weil ihm nichts mehr fremd und feindlich ist. Nun ist aber die Gewohnheit eine »andere Natur«, welche den Menschen von seiner ersten und ursprünglichen Natürlichkeit ablöst und befreit, indem sie ihn gegen jede Zufälligkeit derselben sichert. Die ausgebildete Gewohnheit der Chinesen hat für alle Vorfälle gesorgt, und für Alles ist »vorgesehen«; was auch kommen mag, es weiß der Chinese immer, wie er sich zu verhalten hat, und
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