Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Einzige und sein Eigentum (German Edition)

Der Einzige und sein Eigentum (German Edition)

Titel: Der Einzige und sein Eigentum (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Max Stirner
Vom Netzwerk:
heiligen . (»Einen Kuß in Ehren kann niemand wehren.« Der Geist der Ehrbarkeit heiligt ihn.) Daher gelang auch dem Lutheraner Hegel (er erklärt sich an irgend einer Stelle dafür: »er wolle Lutheraner bleiben«) die vollständige Durchführung des Begriffs durch Alles. In allem ist Vernunft, d. h. heiliger Geist, oder »das Wirkliche ist vernünftig«. Das Wirkliche ist nämlich in der Tat Alles, da in Jedem, z. B. jeder Lüge die Wahrheit aufgedeckt werden kann: es gibt keine absolute Lüge, kein absolut Böses u. dergl.
    Große »Geisteswerke« wurden fast nur von Protestanten geschaffen, da sie allein die wahren Jünger und Vollbringer des Geistes waren.
    Wie weniges vermag der Mensch zu bezwingen! Er muß die Sonne ihre Bahn ziehen, das Meer seine Wellen treiben, die Berge zum Himmel ragen lassen. So steht er machtlos vor dem Unbezwinglichen . Kann er sich des Eindruckes erwehren, daß er gegen diese riesenhafte Welt ohnmächtig sei? Sie ist ein festes Gesetz , dem er sich unterwerfen muß, sie bestimmt sein Schicksal . Wohin arbeitete nun die vorchristliche Menschheit? Dahin, das Einstürmen der Geschicke loszuwerden, sich durch sie nicht alterieren zu lassen. Die Stoiker erreichten dies in der Apathie, indem sie die Angriffe der Natur für gleichgültig erklärten, und sich nicht dadurch affizieren ließen. Horaz spricht das berühmte Nil admirari aus, wodurch er gleichfalls die Gleichgültigkeit des Andern , der Welt, bekundet: sie soll auf Uns nicht einwirken, Unser Staunen nicht erregen. Und jenes impavidum ferient ruinae drückt ebendieselbe Unerschütterlichkeit aus, wie Psalm 46, 3: »Wir fürchten Uns nicht, wenngleich die Welt unterginge.« In alledem ist für den christlichen Satz, daß die Welt eitel sei, für die christliche Weltverachtung der Raum geöffnet.
    Der unerschütterliche Geist »des Weisen«, mit welchem die alte Welt ihrem Schlusse vorarbeitete, erfuhr nun eine innere Erschütterung , gegen welche ihn keine Ataraxie, kein stoischer Mut zu schützen vermochte. Der Geist, vor allem Einflusse der Welt gesichert, gegen ihre Stöße unempfindlich und über ihre Angriffe erhaben , nichts bewundernd, durch keinen Einsturz der Welt aus seiner Fassung zu bringen, – er schäumte unaufhaltsam wieder über, weil in seinem eigenen Innern Gase (Geister) sich entwickelten, und, nachdem der mechanische Stoß , der von außen kommt, unwirksam geworden, chemische Spannungen , die im Innern erregen, ihr wunderbares Spiel zu treiben begannen.
    In der Tat schließt die alte Geschichte damit, daß Ich an der Welt mein Eigentum errungen habe. »Alle Dinge sind Mir übergeben von Meinem Vater.« (Matth. 11, 27.) Sie hat aufgehört, gegen Mich übermächtig, unnahbar, heilig, göttlich usw. zu sein, sie ist » entgöttert «, und Ich behandle sie nun so sehr nach Meinem Wohlgefallen, daß, läge Mir daran, Ich alle Wunderkraft, d. h. Macht des Geistes, an ihr ausüben, Berge versetzen, Maulbeerbäumen befehlen, daß sie sich selbst ausreißen und ins Meer versetzen (Luk. 17, 6), und alles Mögliche, d. h. Denkbare könnte: »Alle Dinge sind möglich dem, der da glaubet.« Ich bin der Herr der Welt, Mein ist die » Herrlichkeit «. Die Welt ist prosaisch geworden, denn das Göttliche ist aus ihr verschwunden: sie ist Mein Eigentum, mit dem ich schalte und walte, wie Mir's (nämlich dem Geiste) beliebt.
    Als Ich Mich dazu erhoben hatte, der Eigner der Welt zu sein, da hatte der Egoismus seinen ersten vollständigen Sieg errungen, hatte die Welt überwunden, war weltlos geworden, und legte den Erwerb eines langen Weltalters unter Schloß und Riegel.
    Das erste Eigentum, die erste »Herrlichkeit« ist erworben!
    Doch der Herr der Welt ist noch nicht Herr seiner Gedanken, seiner Gefühle, seines Willens: er ist nicht Herr und Eigner des Geistes, denn der Geist ist noch heilig, der »heilige Geist«, und der »weltlose« Christ vermag nicht »gottlos« zu werden. War der antike Kampf ein Kampf gegen die Welt , so ist der mittelalterliche (christliche) ein Kampf gegen sich , den Geist, jenes gegen die Außenwelt, dieses gegen die innerliche Welt. Der Mittelalterliche ist der »in sich Gekehrte«, der Sinnende, Sinnige.
    Alle Weisheit der Alten ist Weltweisheit , alle Weisheit der Neuen ist Gottesgelahrtheit .
    Mit der Welt wurden die Heiden (auch Juden hierunter) fertig; aber nun kam es darauf an, auch mit sich, dem Geiste , fertig, d. h. geistlos oder gottlos zu werden.
    Fast zweitausend Jahre arbeiten Wir

Weitere Kostenlose Bücher