Der Einzige und sein Eigentum (German Edition)
Alles los , und was Euch anhaftet, das habt Ihr angenommen , das ist eure Wahl und euer Belieben. Der Eigene ist der geborene Freie , der Freie von Haus aus; der Freie dagegen nur der Freiheitssüchtige , der Träumer und Schwärmer.
Jener ist ursprünglich frei , weil er nichts als sich anerkennt; er braucht sich nicht erst zu befreien, weil er von vornherein Alles außer sich verwirft, weil er nichts mehr schätzt als sich, nichts höher anschlägt, kurz, weil er von sich ausgeht und »zu sich kommt«. Befangen im kindlichen Respekt, arbeitet er gleichwohl schon daran, aus dieser Befangenheit sich zu »befreien«. Die Eigenheit arbeitet in dem kleinen Egoisten und verschafft ihm die begehrte – Freiheit.
Jahrtausende der Kultur haben Euch verdunkelt, was Ihr seid, haben Euch glauben gemacht, Ihr seiet keine Egoisten, sondern zu Idealisten (»guten Menschen«) berufen . Schüttelt das ab! Suchet nicht die Freiheit, die Euch gerade um Euch selbst bringt, in der »Selbstverleugnung«, sondern suchet Euch Selbst , werdet Egoisten, werde jeder von euch ein allmächtiges Ich . Oder deutlicher: Erkennet Euch nur wieder, erkennet nur, was Ihr wirklich seid, und laßt eure heuchlerischen Bestrebungen fahren, eure törichte Sucht, etwas Anderes zu sein, als Ihr seid. Heuchlerisch nenne Ich jene, weil Ihr doch alle diese Jahrtausende Egoisten geblieben seid, aber schlafende, sich selbst betrügende, verrückte Egoisten, Ihr Heautontimorumenen, Ihr Selbstpeiniger. Noch niemals hat eine Religion der Versprechungen und »Verheißungen« entraten können, mögen sie aufs Jenseits oder Diesseits verweisen (»langes Leben« usw.); denn lohnsüchtig ist der Mensch, und »umsonst« tut er nichts. Aber jenes »das Gute um des Guten willen tun« ohne Aussicht auf Belohnung? Als ob nicht auch hier in der Befriedigung, die es gewähren soll, der Lohn enthalten wäre. Also auch die Religion ist auf unsern Egoismus begründet, und sie – beutet ihn aus; berechnet auf unsere Begierden , erstickt sie viele andere um Einer willen. Dies gibt denn die Erscheinung des betrogenen Egoismus, wo Ich nicht Mich befriedige, sondern eine meiner Begierden, z. B. den Glückseligkeitstrieb. Die Religion verspricht Mir das – »höchste Gut«; dies zu gewinnen achte Ich auf keine andere meiner Begierden mehr und sättige sie nicht. – All euer Tun und Treiben ist uneingestandener , heimlicher, verdeckter und versteckter Egoismus. Aber weil Egoismus, den Ihr Euch nicht gestehen wollt, den Ihr Euch selbst verheimlicht, also nicht offenbarer und offenkundiger, mithin unbewußter Egoismus, darum ist er nicht Egoismus , sondern Knechtschaft, Dienst, Selbstverleugnung, Ihr seid Egoisten und Ihr seid es nicht, indem Ihr den Egoismus verleugnet. Wo Ihr's am meisten zu sein scheint, da habt Ihr dem Worte »Egoist« – Abscheu und Verachtung zugezogen.
Meine Freiheit gegen die Welt sichere Ich in dem Grade, als Ich Mir die Welt zu eigen mache, d. h. sie für Mich »gewinne und einnehme«, sei es durch welche Gewalt es wolle, durch die der Überredung, der Bitte, der kategorischen Forderung, ja selbst durch Heuchelei, Betrug usw.; denn die Mittel, welche Ich dazu gebrauche, richten sich nach dem, was Ich bin. Bin Ich schwach, so habe Ich nur schwache Mittel, wie die genannten, die aber dennoch für ein ziemlich Teil Welt gut genug sind. Ohnehin sehen Betrug, Heuchelei, Lüge schlimmer aus als sie sind. Wer hätte nicht die Polizei, das Gesetz betrogen, wer hätte nicht vor dem begegnenden Schergen schnell die Miene ehrsamer Loyalität vorgenommen, um eine etwa begangene Ungesetzlichkeit zu verbergen usw.? Wer es nicht getan hat, der hat sich eben Gewalt antun lassen: er war ein Schwächling aus – Gewissen. Meine Freiheit weiß ich schon dadurch geschmälert, daß Ich an einem Andern (sei dies Andere ein Willenloses, wie ein Fels, oder ein Wollendes, wie eine Regierung, ein Einzelner usw.) meinen Willen nicht durchsetzen kann; meine Eigenheit verleugne Ich, wenn Ich Mich selbst – Angesichts des Andern – aufgebe, d. h. nachgebe, abstehe, Mich ergebe, also durch Ergebenheit , Ergebung . Denn ein Anderes ist es, wenn Ich mein bisheriges Verfahren aufgebe, weil es nicht zum Ziele führt, also ablenke von einem falschen Wege, ein Anderes, wenn Ich Mich gefangen gebe. Einen Felsen, der Mir im Wege steht, umgehe Ich so lange, bis Ich Pulver genug habe, ihn zu sprengen; die Gesetze eines Volkes umgehe Ich, bis Ich Kraft gesammelt habe, sie zu stürzen. Weil Ich
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