Der Einzige und sein Eigentum (German Edition)
welche den Weg des Guten, Rechten, Wahren usw. zeigt? Wie stimmt Gott und Belial?
Was würdet Ihr aber denken, wenn Euch Einer erwiderte: daß man auf Gott, Gewissen, Pflichten, Gesetze usw. hören solle, das seien Flausen, mit denen man Euch Kopf und Herz vollgepfropft und Euch verrückt gemacht habe? Und wenn er Euch früge, woher Ihr's denn so sicher wißt, daß die Naturstimme eine Verführerin sei? Und wenn er Euch gar zumutete, die Sache umzukehren, und geradezu die Gottes- und Gewissensstimme für Teufelswerk zu halten? Solche heillose Menschen gibt's; wie werdet Ihr mit ihnen fertig werden? Auf eure Pfaffen, Eltern und guten Menschen könnt Ihr Euch nicht berufen, denn die werden eben als eure Verführer von jenen bezeichnet, als die wahren Jugendverführer und Jugendverderber, die das Unkraut der Selbstverachtung und Gottesverehrung emsig aussäen, die jungen Herzen verschlämmen und die jungen Köpfe verdummen.
Jene nun fahren aber fort und fragen: Um weswillen bekümmert Ihr Euch um Gottes und die andern Gebote? Ihr meint doch nicht, daß dies bloß aus Gefälligkeit gegen Gott geschehe? Nein, Ihr tut's wieder – um Euretwillen . – Also auch hier seid Ihr die Hauptsache und Jeder muß sich sagen: Ich bin Mir Alles und ich tue Alles Meinethalben . Würde Euch's jemals klar, daß Euch der Gott, die Gebote usw. nur schaden, daß sie Euch verkürzen und verderben: gewiß, Ihr würfet sie von Euch, gerade wie die Christen einst den Apollo oder die Minerva oder die heidnische Moral verdammten. Sie stellten freilich Christus und hernach die Maria, sowie eine christliche Moral an die Stelle; aber sie taten das auch um ihres Seelenheils willen, also aus Egoismus oder Eigenheit.
Und dieser Egoismus, diese Eigenheit war's, durch die sie die alte Götterwelt los und von ihr frei wurden. Die Eigenheit erschuf eine neue Freiheit ; denn die Eigenheit ist die Schöpferin von Allem, wie schon längst die Genialität (eine bestimmte Eigenheit), die stets Originalität ist, als die Schöpferin neuer weltgeschichtlicher Produktionen angesehen wird.
Soll's einmal doch »die Freiheit« gelten mit eurem Streben, nun so erschöpft ihre Forderungen. Wer soll denn frei werden? Du, Ich, Wir. Wovon frei? Von Allem, was nicht Du, nicht Ich, nicht Wir ist. Ich also bin der Kern, der aus allen Verhüllungen erlöst, von allen beengenden Schalen – befreit werden soll. Was bleibt übrig, wenn Ich von Allem, was Ich nicht bin, befreit worden? Nur Ich und nichts als Ich. Diesem Ich selber aber hat die Freiheit nichts zu bieten. Was nun weiter geschehen soll, nachdem Ich frei geworden, darüber schweigt die Freiheit, wie unsere Regierungen den Gefangenen nach abgelaufener Haftzeit nur entlassen und in die Verlassenheit hinausstoßen.
Warum nun, wenn die Freiheit doch dem Ich zu Liebe erstrebt wird, warum nun nicht das Ich selber zu Anfang, Mitte und Ende wählen? Bin Ich nicht mehr wert als die Freiheit? Bin Ich es nicht, der Ich Mich frei mache, bin Ich nicht das Erste? Auch unfrei, auch in tausend Fesseln geschlagen, bin Ich doch, und Ich bin nicht etwa erst zukünftig und auf Hoffnung vorhanden, wie die Freiheit, sondern Ich bin auch als Verworfenster der Sklaven – gegenwärtig.
Bedenkt das wohl und entscheidet Euch, ob Ihr auf eure Fahne den Traum der »Freiheit« oder den Entschluß des »Egoismus«, der »Eigenheit« stecken wollt. Die »Freiheit« weckt euren Grimm gegen Alles, was Ihr nicht seid; der »Egoismus« ruft Euch zur Freude über Euch selbst, zum Selbstgenusse; die »Freiheit« ist und bleibt eine Sehnsucht , ein romantischer Klagelaut, eine christliche Hoffnung auf Jenseitigkeit und Zukunft; die »Eigenheit« ist eine Wirklichkeit, die von selbst gerade soviel Unfreiheit beseitigt, als Euch hinderlich den eigenen Weg versperrt. Von dem, was Euch nicht stört, werdet Ihr Euch nicht lossagen wollen, und wenn es Euch zu stören anfängt, nun so wißt Ihr, daß »Ihr Euch mehr gehorchen müsset, denn den Menschen!«
Die Freiheit lehrt nur: Macht Euch los, entledigt Euch alles Lästigen; sie lehrt Euch nicht, wer Ihr selbst seid. Los, los! so tönt ihr Losungswort, und Ihr, begierig ihrem Rufe folgend, werdet Euch selbst sogar los, »verleugnet Euch selbst«. Die Eigenheit aber ruft Euch zu Euch selbst zurück, sie spricht: »Komm zu Dir!« Unter der Ägide der Freiheit werdet Ihr Vielerlei los, aber Neues beklemmt Euch wieder: »den Bösen seid Ihr los, das Böse ist geblieben«. Als Eigene seid Ihr wirklich
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