Der Einzige und sein Eigentum (German Edition)
Alle; aber sorge er doch nicht für Alle, ereifere er sich dafür nicht als für ein Recht Aller.
Aber die Sozialreformer predigen Uns ein » Gesellschaftsrecht «. Da wird der Einzelne der Sklave der Gesellschaft, und hat nur Recht, wenn ihm die Gesellschaft Recht gibt , d. h. wenn er nach den Gesetzen der Gesellschaft lebt, also – loyal ist. Ob Ich loyal bin in einer Despotie oder in einer Weitlingschen »Gesellschaft«, das ist dieselbe Rechtlosigkeit, insofern Ich in beiden Fällen nicht mein , sondern fremdes Recht habe.
Beim Rechte fragt man immer: »Was oder Wer gibt Mir das Recht dazu?« Antwort: Gott, die Liebe, die Vernunft, die Natur, die Humanität usw. Nein, nur deine Gewalt, deine Macht gibt Dir das Recht (deine Vernunft z. B. kann Dir's geben).
Der Kommunismus, welcher annimmt, daß die Menschen »von Natur gleiche Rechte haben«, widerlegt seinen eigenen Satz dahin, daß die Menschen von Natur gar kein Recht haben. Denn er will z. B. nicht anerkennen, daß die Eltern »von Natur« Rechte gegen die Kinder haben oder diese gegen jene: er hebt die Familie auf. Die Natur gibt den Eltern, Geschwistern usw. gar kein Recht. Überhaupt beruht dieser ganze revolutionäre oder Babeufsche Grundsatz auf einer religiösen, d. h. falschen Anschauung. Wer kann, wenn er sich nicht auch auf dem religiösen Standpunkte befindet, nach dem »Rechte« fragen? Ist »das Recht« nicht ein religiöser Begriff, d. h. etwas Heiliges? » Rechtsgleichheit «, wie sie die Revolution aufstellte, ist ja nur eine andere Form für die »christliche Gleichheit«, die »Gleichheit der Brüder, der Kinder Gottes, der Christen usw.«, kurz fraternité. Alle und jede Frage nach dem Rechte verdient mit Schillers Worten gegeißelt zu werden:
Jahre lang schon bedien' ich mich meiner Nase zum Riechen;
Hab' ich denn wirklich an sie auch ein erweisliches Recht?
Als die Revolution die Gleichheit zu einem »Rechte« stempelte, flüchtete sie ins religiöse Gebiet, in die Region des Heiligen, des Ideals. Daher seitdem der Kampf um die »heiligen, unveräußerlichen Menschenrechte«. Gegen das »ewige Menschenrecht« wird ganz natürlich und gleichberechtigt das »wohlerworbene Recht des Bestehenden« geltend gemacht: Recht gegen Recht, wo natürlich eines vom andern als »Unrecht« verschrien wird. Das ist der Rechtsstreit seit der Revolution.
Ihr wollt gegen die Andern »im Rechte sein«. Das könnt Ihr nicht, gegen sie bleibt Ihr ewig »im Unrecht«; denn sie wären ja eure Gegner nicht, wenn sie nicht auch in »ihrem Rechte« wären: sie werden Euch stets »Unrecht geben«. Aber euer Recht ist gegen das der Anderen ein höheres, größeres, mächtigeres , nicht so? Mitnichten! Euer Recht ist nicht mächtiger, wenn Ihr nicht mächtiger seid. Haben chinesische Untertanen ein Recht auf Freiheit? Schenkt sie ihnen doch, und seht dann zu, wie sehr Ihr Euch darin vergriffen habt: weil sie die Freiheit nicht zu nutzen wissen, darum haben sie kein Recht darauf, oder deutlicher, weil sie die Freiheit nicht haben, haben sie eben das Recht dazu nicht. Kinder haben kein Recht auf die Mündigkeit, weil sie nicht mündig sind, d. h. weil sie Kinder sind. Völker, die sich in Unmündigkeit halten lassen, haben kein Recht auf Mündigkeit; sie hörten auf, unmündig zu sein, dann erst hätten sie das Recht, mündig zu sein. Dies heißt nichts anderes, als: was Du zu sein die Macht hast, dazu hast Du das Recht . Ich leite alles Recht und alle Berechtigung aus Mir her; Ich bin zu Allem berechtigt , dessen Ich mächtig bin. Ich bin berechtigt, Zeus, Jehova, Gott usw. zu stürzen, wenn Ich's kann ; kann Ich's nicht, so werden diese Götter stets gegen Mich im Rechte und in der Macht bleiben, Ich aber werde Mich vor ihrem Rechte und ihrer Macht fürchten in ohnmächtiger »Gottesfurcht«, werde ihre Gebote halten und in Allem, was Ich nach ihrem Rechte tue, Recht zu tun glauben, wie etwa die russischen Grenzwächter sich für berechtigt halten, die entrinnenden Verdächtigen totzuschießen, indem sie »auf höhere Autorität«, d. h. »mit Recht« morden. Ich aber bin durch Mich berechtigt zu morden, wenn Ich Mir's selbst nicht verbiete, wenn Ich selbst Mich nicht vorm Morde als vor einem »Unrecht« fürchte. Diese Anschauung liegt Chamisso's Gedicht »das Mordtal« zu Grunde, wo der ergraute indianische Mörder dem Weißen, dessen Mitbrüder er gemordet, Ehrfurcht abzwingt. Ich bin nur zu Dem nicht berechtigt, was Ich nicht mit freiem Mute tue, d. h. wozu
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