Der Einzige und sein Eigentum (German Edition)
Richter nur nach dem Gesetze entscheiden. Da lobe Ich Mir noch die alten französischen Parlamente, die, was Rechtens sein sollte, selbst prüfen und nach eigener Zustimmung erst registrieren wollten. Die richteten wenigstens nach eigenem Rechte und mochten sich nicht zu Maschinen des Gesetzgebers hergeben, wenngleich sie als Richter freilich ihre eigenen Maschinen werden mußten.
Man sagt, die Strafe sei das Recht des Verbrechers. Allein die Straflosigkeit ist ebenso sein Recht. Gelingt ihm sein Unternehmen, so geschieht ihm Recht, und gelingt's nicht, so geschieht ihm gleichfalls Recht. Wie Du Dich bettest, so schläfst Du. Begibt sich Jemand tollkühn in Gefahren und kommt darin um, so sagen Wir wohl: es geschieht ihm Recht, er hat's nicht besser gewollt. Besiegte er aber die Gefahren, d. h. siegte seine Macht , so hätte er auch Recht . Spielt ein Kind mit dem Messer und schneidet sich, so geschieht ihm Recht; aber schneidet sich's nicht, so geschieht ihm auch Recht. Dem Verbrecher widerfährt daher wohl Recht, wenn er leidet, was er riskierte; warum riskierte er's auch, da er die möglichen Folgen kannte! Aber die Strafe, welche Wir über ihn verhängen, ist nur unser Recht, nicht das seine. Unser Recht reagiert gegen das seinige, und er »behält Unrecht«, weil – Wir die Oberhand gewinnen.
Was aber Recht, was in einer Gesellschaft Rechtens ist, das kommt auch zu Worte – im Gesetze .
Wie auch das Gesetz sei, es muß respektiert werden vom – loyalen Bürger. So wird der gesetzliche Sinn Old Englands gerühmt. Dem entspricht ganz jenes euripideische Wort (Orestes, 412): »Den Göttern dienen Wir, was immer auch die Götter sind.« Gesetz überhaupt , Gott überhaupt , so weit sind Wir heute.
Man bemüht sich, Gesetz von willkürlichem Befehl , von einer Ordonnanz zu unterscheiden: jenes gehe von einer berechtigten Autorität aus. Allein ein Gesetz über menschliches Handeln (ethisches Gesetz, Staatsgesetz usw.) ist immer eine Willenserklärung , mithin Befehl. Ja, wenn Ich das Gesetz Mir auch selbst gäbe, es wäre doch nur mein Befehl, dem Ich im nächsten Augenblick den Gehorsam verweigern kann. Es mag Jemand wohl erklären, was er sich gefallen lassen wolle, mithin durch ein Gesetz das Gegenteil sich verbitten, widrigenfalls er den Übertreter als seinen Feind behandeln werde; aber über meine Handlungen hat Niemand zu gebieten, Keiner Mir mein Handeln vorzuschreiben und Mir darin Gesetze zu geben. Ich muß Mir's gefallen lassen, daß er Mich als seinen Feind behandelt; allein niemals, daß er mit Mir als seiner Kreatur umspringt, und daß er seine Vernunft oder auch Unvernunft zu meiner Richtschnur macht.
Es dauern die Staaten nur so lange, als es einen herrschenden Willen gibt, und dieser herrschende Wille für gleichbedeutend mit dem eigenen Willen angesehen wird. Des Herrn Wille ist – Gesetz. Was helfen Dir deine Gesetze, wenn sie Keiner befolgt, was deine Befehle, wenn sich Niemand befehlen läßt? Es kann der Staat des Anspruches sich nicht entschlagen, den Willen des Einzelnen zu bestimmen, darauf zu spekulieren und zu rechnen. Für ihn ist's unumgänglich nötig, daß Niemand einen eigenen Willen habe; hätte ihn Einer, so müßte der Staat diesen ausschließen (einsperren, verbannen usw.); hätten ihn Alle, so schafften sie den Staat ab. Der Staat ist nicht denkbar ohne Herrschaft und Knechtschaft (Untertanenschaft); denn der Staat muß der Herr sein wollen Aller, die er umfaßt, und man nennt diesen Willen den »Staatswillen« .
Wer, um zu bestehen, auf die Willenlosigkeit Anderer rechnen muß, der ist ein Machwerk dieser Anderen, wie der Herr ein Machwerk des Dieners ist. Hörte die Unterwürfigkeit auf, so wär's um die Herrschaft geschehen.
Der eigene Wille Meiner ist der Verderber des Staats; er wird deshalb von letzterem als »Eigenwille« gebrandmarkt. Der eigene Wille und der Staat sind todfeindliche Mächte, zwischen welchen kein »ewiger Friede« möglich ist. Solange der Staat sich behauptet, stellt er den eigenen Willen, seinen stets anfeindenden Gegner, als unvernünftig, böse usw. dar, und jener läßt sich das einreden, ja er ist es wirklich schon deshalb, weil er sich's noch einreden läßt: er ist noch nicht zu sich selbst und zum Bewußtsein seiner Würde gekommen, mithin noch unvollkommen, noch beschwatzbar usw.
Jeder Staat ist eine Despotie , sei nun Einer oder Viele der Despot, oder seien, wie man sich's wohl von einer Republik vorstellt, Alle die Herren, d. h.
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