Der eiserne Tiger
für Sie
tun?«
»Ich muß unbedingt nach Sadar, und ich glaube, daß Sie mir dabei helfen können.«
»Warum um alles in der Welt wollen Sie denn ausgerechnet nach Sadar?« fragte er mit gerunzelter Stirn.
»Ich bin
Krankenschwester«, erklärte sie. »Die Gesellschaft der
Freunde hat mich hierher beordert, damit ich den kleinen Sohn des Khans
von Baipur zu unserem Krankenhaus in Chicago begleite. Dort wird eine
schwierige Augenoperation bei ihm durchgeführt.«
Da fiel es Drummond wieder ein.
Father Kerrigan hatte so etwas erwähnt vor seiner Abreise. Aber es
war von einem Arzt die Rede gewesen.
»Sie gehören also den Quäkern an?«
»Ja«, bestätigte sie ganz ruhig.
»Zum erstenmal in Indien?«
Sie nickte. »Ich habe gerade
zwei Jahre Dienst in Vietnam hinter mir. Ich war sowieso gerade auf dem
Heimweg, da hat mich die Gesellschaft gebeten, einen Umweg zu
machen.«
»Ein ganz schöner Umweg, das muß ich schon sagen.«
»Können Sie mich mitnehmen?«
Drummond nickte. »Kein Problem.
Ich fliege eine Beaver, da ist genug Platz. Es fliegt nur noch ein
anderer Passagier mit - Major Hamid, Berater der indischen
Streitkräfte in Baipur, was allerdings nicht heißen soll,
daß die Armee so stark ist, daß es da viel zu beraten
gäbe. Wir starten um vier Uhr dreißig, übernachten in
Juma und fliegen am folgenden Morgen über die Berge nach Sadar.
Das ist viel sicherer.« Er drückte die Zigarette im
Aschenbecher aus. »Wenn Sie warten wollen, gehe ich jetzt und
ziehe mich an.«
Als er sich zur Tür wandte,
sagte sie rasch: »Ach, jetzt hätte ich doch fast vergessen,
daß ich eine Nachricht von einem Mr. Ferguson für Sie
habe.«
Als er sich ihr daraufhin wieder
zuwandte, glaubte sie einen völlig verwandelten Menschen vor sich
zu sehen. Er wirkte kalt und abweisend, sein Gesicht war zur Maske
erstarrt, seine Augen blickten schiefergrau.
»Ferguson? Wo sind Sie Ferguson denn über den Weg gelaufen?«
»Im Zug von Kalkutta. Er war
sehr freundlich. Er bittet Sie, ihn vor Ihrem Abflug an dem
üblichen Ort aufzusuchen.« Sie lächelte erheitert.
»Das klingt alles furchtbar geheimnisvoll.«
Eine unsichtbare Hand schien
über sein Gesicht zu streichen, und gleich darauf lächelte er
wieder. »Der gute alte Ferguson, immer zu Spaßen
aufgelegt.« Er schüttelte den Kopf. »Ich bin gleich
wieder da.«
Er ging und eilte durch den
Aufenthaltsraum zu den Umkleidekabinen, wo er rasch sein cremefarbenes
Hemd, die Strickkrawatte und den einreihigen blauen TropenKammgarnanzug
anzog.
Als er ins Büro
zurückkehrte, saß Hamid auf der Schreibtischkante und Janet
im Sessel daneben. Sie sah lächelnd zu ihm auf.
Wider alle Vernunft empfand Drummond
Eifersucht. »Wie ich sehe, ist es Ali wieder einmal gelungen,
sich selbst bekannt zu machen.«
»Wenn ich ganz offiziell
vorgestellt werden muß, kann man wohl nichts machen.« Hamid
grinste Janet an. »Jack war einmal Fregattenkapitän. Davon
kommt er wohl nie los. Das sind unheimlich korrekte Leute, wissen
Sie.«
Er sprang auf und wartete darauf,
daß Drummond das Wort ergriff. In seinem Turban und der
maßgeschneiderten khakifarbenen Uniform mit den farbenfrohen
Ordensbändern über der linken Brusttasche sah er blendend aus.
Drummond seufzte. »Da sitze ich
ja wieder mal ganz schön in der Tinte. Miß Janet Tate, darf
ich Ihnen Major Ali Mohammed Hamid vorstellen, von den Engländern
ausgezeichnet, wie Sie sehen. Er hat das Winchester College besucht,
eines unserer exklusivsten Internate, und ist dann in Sandhurst
ausgebildet worden. Diese Militärakademie hat doch ein entschieden
höheres Niveau als West Point, finden Sie nicht auch?«
Hamid nahm ihre linke Hand und hob
sie galant an die Lippen. »Da sehen Sie einmal, wie die
Engländer uns gebrandmarkt haben - bis auf die Knochen.«
»Mich brauchst du dabei gar nicht so anzusehen«, warf Drummond ein. »Ich bin Schotte.«
»Das läuft doch auf das
gleiche hinaus«, meinte Hamid belustigt. »Wo doch alle Welt
weiß, daß in Wahrheit die Schotten England regieren.«
Er reichte Janet den Arm, und sie
traten in das grelle, heiße Sonnenlicht hinaus. Am anderen Ende
des Platzes entlang verlief eine niedrige Ufermauer, dahinter
ergoß sich der Fluß. Für gewöhnlich war er an
dieser Stelle zwei Meilen breit, doch wie immer, wenn es auf den Winter
zuging, war er auch jetzt kaum mehr eine halbe Meile breit und
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