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Der Eisvogel - Roman

Der Eisvogel - Roman

Titel: Der Eisvogel - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uwe Tellkamp
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mehr, da könnt ihr doch gleich dabeibleiben ... Aber wofür haltet ihr mich eigentlich? Glaubt ihr etwa, ich hätte das nicht vorausgesehen und vorgesorgt? Uns passiert nichts, verlaßt euch drauf ... Ich habe Vorsorge getroffen ... Oder rechnet ihr mit mildernden Umständen, wenn ihr Kaltmeister vorher verpfeift? He? Wollt ihr mich vielleicht verpfeifen? Vielleicht hat ja auch einer von euch Frenss verpfiffen ... Warst du es, Dirk? Mit deinem Gerechtigkeitskomplex, du Verstoßener aus der hehren Bruderschaft der Rechtsanwälte? Oder du, Schwesterlein, die mir erzählt hat, daß sie sich in unseren kleinen Philosophen hier verliebt hat, – Halt den Mund! – Seit wann verbietest du mir den Mund, meine Schwester! Hatten wir das nicht gesagt: Keine Geheimnisse voreinander ... Solltest du alles vergessen haben? Gilt es nicht mehr? Bloß weil deine Hormone verrückt spielen und du Wiggo ganz gern erlauben würdest, von seinen Hochglanz-Wichsvorlagen wegzukommen! Manuela holte aus und gab Mauritz eine Ohrfeige. Wenn sie es nicht getan hätte, dann hätte ich es getan. Mauritz wischte sich die Wange ab. Oder warst du es, kleiner Philosoph, mit deinemVaterkomplex und deiner verletzten Eitelkeit? Hast du mich verpfiffen? Es ist ja so leicht, mich zu verurteilen und zum Narren zu erklären, es ist ja so leicht zu sagen: Du Verrückter, du Revoluzzer, du ... Verbrecher! Das macht alles einfach, das entlastet das Gewissen, und man kann sich selbst auch so herrlich überlegen fühlen ... Nein, mein Lieber. Das ist Geschwätz, wohlfeil und folgenlos. Philosophie eben. Auch für dich ist es ja gut, was die Cassiopeia vorhat. Auch du hast ein Interesse, Wiggo Ritter. Versetze die Menschen in Angst und Schrecken, und sie wenden sich wieder den existentiellen Themen zu. Also auch der Philosophie, mit der du deine Brötchen verdienst. In der Fernsehdemokratie geht es den Denkern schlecht. Oder bist du anderer Ansicht? Bei mir säßest du rechts vom Thron. Aber das interessiert dich vielleicht nicht, vielleicht habe ich mich in dir getäuscht, vielleicht haben dir deine Privatschulen doch den Kopf verdorben, und wenn dir dein Papa einen Mercedes schenkt, sein väterliches Wohlwollen, in deiner Dissertation plötzlich doch Erleuchtung findet, ist alles wieder ganz wunderbar
    – Mauritz, ich sehe ihn wieder vor mir, wie er lachte, das rotfleckige Gesicht an jenem Abend, als er russisches Roulett gespielt und mich auf die Probe gestellt hatte, als ich von Freundschaft sprach und er Bist du sicher? fragte
    [ DOROTHEA R. {...}] ich möchte Ihnen noch schreiben, daß ich meinen Bruder gern habe und Sie bitten möchte, einen guten Prozeß für ihn zu führen
    – wir hatten getrunken, waren durch Spielcasinos gezogen, hatten Stunden an Spielautomaten und Roulett-Tischen verbracht, aber nicht in Berlin, sondern in München, die vorüberfließende Isar, der mit einzelnen Fenstern erleuchtete Blockdes Deutschen Museums auf der Insel im Fluß, vorüberbrandender Verkehr
    – Manuela sagte: Es wird sich nichts ändern, Wiggo, nie, das dachte ich immer, aber Mauritz hat mir immer Mut gemacht, jedesmal, wenn ich aufgeben wollte, hat er gesagt: Es gibt kein Aufgeben, es gibt immer einen Weg
    – Vaters Stimme: Sie haben es noch nicht verinnerlicht; ein Ritter gibt niemals auf, habt ihr das verstanden, Oda. Dorothea. Wiggo. Hast du das verstanden?
    – es gibt immer einen Weg, sagte Manuela neben mir, er hat immer kämpfen müssen und hat mich immer wieder hochgerissen, und ich habe Kraft und Energie gespürt, wenn er mit mir geredet hatte, dann dachte ich, es könnte falsch sein, daß sich nie etwas ändert und daß man erst sagen kann, es sei wirklich etwas verloren, wenn man stirbt; daß es sich also zu kämpfen lohnt, immer, in jeder Situation, daß man niemals aufgeben darf, weil es immer eine Chance gibt ... Seit unsere Eltern tot waren, hatte ich das Gefühl, überflüssig zu sein, völlig nutzlos, wertlos, es hatte alles keinen Sinn ... Wozu gab es mich überhaupt noch, wenn sie tot waren, wozu sollte ich mich in der Schule anstrengen ... Auch über solche simplen Sachen denkt man nach, sie sind aber gar nicht so simpel, sondern Alltag, und stehen jeden Tag vor einem, man kann sie vielleicht klein und simpel reden, aber man kann nicht machen, daß sie verschwinden, diese Dinge ... Mauritz hat mir geholfen ... Ich war so resigniert, habe an nichts mehr geglaubt, und er hat mich aus der Resignation gerissen, ein ums andere Mal, er hat an

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