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Der Elefant verschwindet

Titel: Der Elefant verschwindet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Haruki Murakami
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erledigt, all so was.«
    »Aber dann haben Sie gekündigt.«
    »Ja.«
    »Arbeitet Ihre Frau?«
    »Ja, sie arbeitet«, antwortete ich.
    Ich holte eine Zigarette heraus, steckte sie mir in den Mund und zündete sie mit einem Streichholz an. Auf einem Baum in der Nähe quietschte der Aufziehvogel. Nachdem er zwölf- oder dreizehnmal die Feder aufgezogen hatte, flog er auf irgendeinen anderen Baum.
    »Die Katzen gehen immer dort durch.« Sie zeigte auf das Ende des Rasens vor uns. »Sie sehen doch die Stelle zum Müllverbrennen hinter dem Zaun von Suzukis? Daneben kommen sie raus, gehen einmal quer über den ganzen Rasen, kriechen dann unter dem Holztor durch und verschwinden in dem Garten da drüben. Immer die gleiche Strecke. – Übrigens, Herr Suzuki ist Professor an der Universität und tritt dauernd im Fernsehen auf. Wussten Sie das?«
    »Herr Suzuki?«
    Sie erzählte mir noch mehr über diesen Herrn Suzuki, aber ich kannte ihn nicht.
    »Ich sehe selten fern«, erklärte ich.
    »Eine schreckliche Familie«, sagte sie. »Tun, als seien sie wer weiß wie berühmt. Die Leute beim Fernsehen sind doch alle Betrüger.«
    »Meinst du?«
    Sie nahm sich eine Marlboro aus der Schachtel und drehte sie eine Weile, ohne sie anzuzünden, zwischen den Fingern.
    »Nun, vielleicht sind auch ein paar anständige Leute darunter, aber ich mag sie nicht. Die Miyawakis waren in Ordnung. Frau Miyawaki war sehr nett, und Herr Miyawaki betrieb zwei oder drei dieser family restaurants. «
    »Und warum sind sie weggezogen?«
    »Keine Ahnung«, sagte sie, wobei sie mit den Fingernägeln gegen die Spitze ihrer Zigarette schnippte. »Vielleicht hatten sie Schulden. Sie sind Hals über Kopf fortgegangen. Das ist jetzt schon zwei Jahre her, glaube ich. Das Haus steht einfach leer und die Katzen vermehren sich ständig, es ist ziemlich unvorsichtig. Meine Mutter beschwert sich immer.«
    »Gibt es dort so viele Katzen?«
    Sie steckte sich endlich die Zigarette in den Mund und zündete sie mit dem Feuerzeug an. Dann nickte sie.
    »Es gibt alle möglichen Katzen. Einer geht das Fell aus, eine andere hat nur noch ein Auge … Das Auge ist richtig rausgerissen, und an der Stelle ist jetzt ein Fleischklumpen. Eklig, oder?«
    »Eklig«, gab ich zu.
    »Eine Verwandte von mir hat sechs Finger an einer Hand. Sie ist etwas älter als ich. Neben ihrem kleinen Finger hat sie noch einen ganz kleinen Babyfinger. Aber sie versteckt ihn so geschickt, dass man ihn kaum sieht. Sie ist sehr hübsch.«
    »Hm«, sagte ich.
    »Glauben Sie, das ist erblich? Also, ich meine – liegt das im Blut?«
    »Keine Ahnung«, sagte ich.
    Sie schwieg eine Weile.
    Ich zog an meiner Zigarette und heftete den Blick auf den Katzenpfad. Bis jetzt hatte sich noch keine Katze blicken lassen.
    »Wollen Sie wirklich nichts trinken? Ich hole mir jedenfalls eine Cola«, sagte sie.
    »Nein danke«, antwortete ich.
    Sie stand vom Liegestuhl auf und verschwand hinkend hinter den Bäumen; ich nahm mir eine der Zeitschriften, die neben meinen Füßen lagen, und blätterte sie durch. Zu meiner Überraschung war es ein Männermagazin. Auf dem Foto in der Mitte des Heftes saß eine Frau auf einem Stuhl, nur mit einem hauchdünnen Slip bekleidet, durch den man ihre Genitalien und Schamhaare sah, und spreizte in künstlicher Pose ihre Beine.
    Oh je, dachte ich, legte die Zeitschrift wieder an ihren Platz zurück, verschränkte die Arme und wandte meinen Blick erneut dem Katzenpfad zu.
    Nach einer ganzen Weile kam das Mädchen mit einem Glas Cola in der Hand zurück. Sie hatte ihr Adidas-T-Shirt ausgezogen und trug jetzt ein Bikini-Oberteil zu den Shorts.
    Es war ein kleines Oberteil, das die Form ihrer Brüste deutlich zeigte und hinten mit einem Band zusammengebunden war.
    Es war ein wirklich heißer Nachmittag. Nur vom In-der-Sonne-Liegen auf dem Liegestuhl hatten sich auf meinem grauen T-Shirt bereits an mehreren Stellen schwarze Schweißflecken gebildet.
    »Wenn Sie herausfänden, dass das Mädchen, in das Sie sich verliebt haben, sechs Finger hat, wie würden Sie reagieren?«, nahm sie das Gespräch wieder auf.
    »Ich würde sie an einen Zirkus verkaufen«, sagte ich.
    »Wirklich?«
    »War nur ein Spaß«, sagte ich überrascht. »Es würde mir wahrscheinlich nichts ausmachen.«
    »Auch wenn es sich auf die Kinder vererben könnte?«
    Ich dachte kurz darüber nach.
    »Das würde mich nicht stören, glaube ich. Ein Finger zu viel ist ja nicht so schlimm.«
    »Und wenn sie vier Brüste

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