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Der Elefant verschwindet

Titel: Der Elefant verschwindet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Haruki Murakami
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kostenlos in ihre Obhut.
    2  Der Bauunternehmer sorgt unentgeltlich für die Unterbringung des Elefanten.
    3  Der ehemalige Zoo übernimmt die Lohnkosten des Pflegers.
    So lautete der Inhalt des von den drei Parteien verfassten Communiqués. Das war genau vor einem Jahr.
    Ich hatte mich für das »Elefantenproblem« von Anfang an interessiert und schnitt alle Zeitungsberichte über den Elefanten aus. Ich ging sogar zur Stadtverordnetenversammlung, um mir die Debatten darüber anzuhören. Deswegen kann ich jetzt auch den Hergang des Ganzen erklären.
    Meine Geschichte mag zwar etwas lang sein, da aber der Verlauf, wie mit diesem Elefantenproblem umgegangen wurde, möglicherweise sehr eng mit dem Verschwinden des Elefanten verknüpft ist, habe ich mich dazu entschlossen, sie hier darzulegen.
    Nachdem der Bürgermeister diese Vereinbarung besiegelt hatte und die Stadt also den Elefanten übernehmen sollte, formierte sich auf einmal, initiiert durch die Oppositionspartei (von deren Existenz in der Stadtverordnetenversammlung ich bis dahin noch nie gehört hatte), eine Gegenbewegung.
    »Warum soll unsere Stadt den Elefanten übernehmen?«, bedrängten sie den Bürgermeister. Wenn man ihre Behauptungen einmal auflistet (entschuldigen Sie die vielen Listen, aber dadurch wird der Sachverhalt, wie ich meine, leichter verständlich), ergibt sich Folgendes:
    1  Das Elefantenproblem sei eine Privatangelegenheit zwischen dem Zoo und dem Bauunternehmer, für die Stadt bestehe kein Grund, sich daran zu beteiligen.
    2  Die Verwaltungs- und Futterkosten et cetera seien zu teuer.
    3  Wie plane man, mit dem Sicherheitsproblem umzugehen?
    4  Worin bestehe für die Stadt der Wert, einen eigenen Elefanten zu erwerben?
    »Hat unsere Stadt nicht genügend dringlichere Aufgaben, um die sie sich kümmern sollte, bevor sie sich einen Elefanten hält – die Fertigstellung des Kanalisationssystems beispielsweise oder die Anschaffung einer Feuerwehr?«, erklärten sie, und obwohl sie es nicht offen aussprachen, deuteten sie an, dass es zwischen dem Bürgermeister und dem Bauunternehmer geheime Absprachen gegeben haben könnte. Demgegenüber brachte der Bürgermeister folgende Einwände vor:
    1  Mit der Fertigstellung des mehrstöckigen Wohnkomplexes würden die Steuereinnahmen der Stadt sprunghaft ansteigen und die Kosten für die Pflege des Elefanten nicht weiter ins Gewicht fallen; die Beteiligung der Stadt an diesem Projekt sei mithin selbstverständlich.
    2  Der Elefant sei schon sehr alt und habe kaum mehr Appetit. Auch eine Gefahr für Menschen könne man getrost ausschließen.
    3  Mit dem Tod des Elefanten würde das für die Pflege des Elefanten vom Bauunternehmer bereitgestellte Gelände in den Besitz der Stadt übergehen.
    4  Der Elefant könne zum Symbol der Stadt werden.
    Schließlich übernahm die Stadt nach langen Diskussionen den Elefanten. Da es sich um eine traditionelle Wohngegend handelte, waren die meisten ihrer Bewohner vergleichsweise wohlhabend, und auch die Finanzen der Stadt waren solide. Außerdem betrachteten die Bürger eine Aktion wie die Übernahme eines heimatlosen Elefanten mit Wohlwollen. Man empfand offensichtlich mehr Sympathie für einen alten Elefanten als für die Kanalisation oder die Feuerwehr.
    Auch ich befürwortete, dass die Stadt die Sorge für den Elefanten übernahm. Den Bau mehrstöckiger Wohnsiedlungen war ich ziemlich satt, doch die Idee, dass unsere Stadt ihren eigenen Elefanten besitzen sollte, gefiel mir.
    Ein Stück Wald wurde abgeholzt und die ausgediente Turnhalle der Grundschule als Elefantenhaus dorthin umgesetzt. Der Pfleger, der sich im Zoo die ganze Zeit um den Elefanten gekümmert hatte, kam, um dort mit dem Elefanten zusammen zu leben. Die Essensreste der Grundschüler würden als Elefantenfutter dienen. Und dann wurde der Elefant aus dem nunmehr geschlossenen Zoo mit einem Anhänger zu seinem neuen Heim gebracht, um dort seinen Lebensabend zu verbringen.
    Auch ich ging zur Einweihungsfeier des Elefantenhauses. Der Bürgermeister hielt vor dem Elefanten eine Rede (über die Entwicklung der Stadt und den Ausbau ihrer kulturellen Einrichtungen), ein Schüler las als Vertreter der Grundschule einen Aufsatz vor (Lieber Elefant, lebe ein langes und glückliches Leben! et cetera), ein Malwettbewerb wurde veranstaltet (seitdem ist das Abmalen des Elefanten unerlässlicher Bestandteil des Kunstunterrichts der städtischen Grundschule), und zwei junge Damen mit wehenden

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