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Der Elefant verschwindet

Titel: Der Elefant verschwindet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Haruki Murakami
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vorne bis hinten der Reihe nach liest, dauerte es eine ganze Weile, bis ich auf den Artikel über das Verschwinden des Elefanten stieß. Auf der ersten Seite standen Artikel zum Handelsstreit und zu SDI, die nächsten Seiten waren der Innen- und Außenpolitik gewidmet, dann folgten die Wirtschaftsseite, die Leserbriefe, die Buchbesprechungen, die Immobilienanzeigen, der Sportteil und schließlich der Lokalteil.
    Der Artikel über das Verschwinden des Elefanten bildete die Titelgeschichte des Lokalteils. Zuerst stach mir die für den Lokalteil ungewöhnlich große Schlagzeile in die Augen: ELEFANT IN TOKYOTER VORORT VERMISST , dann folgte in etwas kleineren Buchstaben, ANGST UNTER DEN BÜRGERN STEIGT. VERANTWORTLICHE SOLLEN ZUR RECHENSCHAFT GEZOGEN WERDEN . Daneben war ein Foto abgebildet, auf dem mehrere Polizisten das leere Elefantenhaus inspizierten. Das Elefantenhaus ohne Elefant wirkte irgendwie unnatürlich. Es schien verlassener und ausdrucksloser als nötig, wie ein riesiges, ausgenommenes und getrocknetes Lebewesen.
    Ich wischte die Brotkrumen von der Zeitung und las den Artikel konzentriert Zeile für Zeile. Dem Bericht zufolge hatte man die Abwesenheit des Elefanten am achtzehnten Mai (also gestern) nachmittags um zwei bemerkt. Die Leute der Firma, welche die Schule mit Mittagessen versorgt, hatten wie üblich das Elefantenessen mit dem Lastwagen herangefahren (der Elefant aß in der Hauptsache die Essensreste der Schüler aus der städtischen Grundschule) und dabei entdeckt, dass das Elefantenhaus leer war. Die Eisenfessel, die an einem Bein des Elefanten angebracht gewesen war, lag verschlossen am Boden, als sei der Elefant mit seinem Fuß einfach hindurchgeschlüpft. Doch nicht nur der Elefant war verschwunden. Zusammen mit ihm fehlte auch der Pfleger, der sich die ganze Zeit hindurch um den Elefanten gekümmert hatte.
    Zuletzt waren der Elefant und sein Pfleger am Abend des Vortages (also am siebzehnten Mai) irgendwann kurz nach fünf gesehen worden. Fünf Grundschüler waren zum Elefantenhaus gekommen und hatten bis zu diesem Zeitpunkt mit ihren Wachsmalstiften Bilder vom Elefanten gemalt. Diese Schüler – so der Artikel – seien die letzten Augenzeugen gewesen, danach habe niemand mehr den Elefanten gesehen. Denn mit dem Ertönen der Sechs-Uhr-Sirene schloss der Pfleger das Tor zum Elefantengehege, sodass niemand mehr hineingelangen konnte.
    Ihnen sei nichts Ungewöhnliches an Elefant und Pfleger aufgefallen, bezeugten die fünf Schüler einstimmig. Der Elefant habe wie immer friedlich in seinem Gehege gestanden, nur ab und zu seinen Rüssel hin und her geschwenkt und die runzligen Augen zusammengekniffen. Da der Elefant furchtbar alt war, bewegte er sich nur noch mit großer Mühe, sodass jemand, der ihn zum ersten Mal sah, Angst bekam, er würde gleich zusammenbrechen und seinen Atem aushauchen.
    Sein hohes Alter war auch der Grund dafür gewesen, dass der Elefant von der Stadt (also der Stadt, in der ich lebe) übernommen worden war. Als der kleine Zoo im Vorort der Stadt wegen betrieblicher Schwierigkeiten schloss, wurden alle Tiere von einem Tierhändler an andere Zoos im ganzen Land vermittelt, nur für diesen Elefanten fand sich, da er schon zu alt war, keine Bleibe. Alle Zoos besaßen bereits genügend Elefanten, und kein einziger Zoo war verrückt oder reich genug, um einen gebrechlichen Elefanten aufzunehmen, der aussah, als könne er jeden Moment einem Herzinfarkt erliegen. Und so blieb dieser Elefant, nachdem alle seine Gefährten fortgezogen waren, drei oder vier Monate lang untätig – nicht dass er vorher etwas Besonderes getan hätte – und allein in dem verfallenden Zoo zurück.
    Sowohl dem Zoo als auch der Stadt bereitete das ziemliche Schwierigkeiten. Der Zoo hatte sein Gelände bereits an einen Bauunternehmer verkauft, der darauf einen mehrstöckigen Wohnkomplex plante, und die Stadt hatte diesem Unternehmer bereits die Genehmigung zur Erschließung erteilt. Je länger sich die Versorgung des Elefanten hinauszog, desto mehr Zinsen kostete es. Eine Tötung des Elefanten kam jedoch auf keinen Fall in Frage. Bei einem Spinnenäffchen oder einer Fledermaus wäre das vielleicht noch gegangen, aber einen Elefanten zu töten fiele zu leicht auf, und wenn die Wahrheit herauskäme, gäbe es einen Riesenskandal. Daher setzten sich die drei Parteien zur Beratung zusammen und trafen in Bezug auf die Versorgung des alten Elefanten folgende Übereinkunft:
    1  Die Stadt nimmt den Elefanten

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