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Der Engel auf der Fensterbank

Der Engel auf der Fensterbank

Titel: Der Engel auf der Fensterbank Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J. Walther
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tief.

 
    III
    Als der Engel langsam wieder zu Bewusstsein kam, begriff er nicht recht, was er in dem von S onnenlicht durchfluteten Z immer tat. Jonathan stand vor ihm und hielt ihm eine Tasse mit einer schwarzen Flüssigkeit hin. Michael trank davon und spürte Wärme durch seinen Körper rinnen. Er lächelte Jonathan an. Er lächelte engelsgleich, das Lächeln hatte er beim Studium alter Gemälde durch die Fenster berühmter Museen studiert. Aber an diesem Morgen zauberte einfach die Freude, Jonathan zu sehen, dass Lächeln auf sein Gesicht.
    „Bist du der Erzengel Michael?”
    „Nein, nein“, wehrte der Engel entsetzt ab, “ich bin kein Erzengel, Michael ist nicht mein Name, ich habe eigentlich gar keinen Namen, ich habe mir das nur ausgedacht.”
    „Du hast keinen Namen?”
    „Nein, gewöhnliche Engel haben keine Namen, es gibt zu viele von ihnen. Du solltest mich auch lieber nicht Michael nennen, das ist ein Frevel.” Er schüttelte sich unwillkürlich und trank die Tasse aus.
    „Magst du diesen Namen denn?”
    „Naja”, sagte Michael schüchtern, „der Name bedeutet ‘Wer ist wie Gott?’, also eigentlich eine Frage. Es ist ein ganz besonderer Name, weißt du.”
    „Wenn er dir gefällt, dann nenne ich dich weiter Michael, der Name passt zu dir.” Jonathan trank seinen eigenen Kaffee aus und betrachtete den Engel, der sich aufgerichtet hatte und seine Flügel ordnete. Einige zerzauste Federn standen in alle Richtungen ab. Jonathan wunderte sich, dass er gestern so leicht akzeptiert hatte, was Michael war, aber die Flügel waren wohl Beweis genug. Anders als künstliche Flügel wirkten sie lebendig und voller Kraft. Vom Ansatz an den Schulterblättern spannten sie sich in einem leichten Schwung bis auf Kopfhöhe, um von dort in einer eleganten Linie nach unten zu laufen. Die letzten langen Federn endeten erst bei den Knöcheln.
    “Ist etwas?”, fragte Michael, der die letzten Federn glattstrich.
    “Sie sind schön”, sagte Jonathan geistesabwesend. Er hatte es akzeptiert, ja, aber warum hatte es ihn so wenig erstaunt? Das Fieber - es musste das Fieber gewesen sein.
    “Bist du wieder gesund? Hat das … Aspirin geholfen?”
    “Ich fühle mich jedenfalls besser, und das Fieber ist gesunken.” Trotzdem legte er sich auf die Couch.
    “Soll ich noch welches holen? Ich bleibe hier, bis du gesund bist.”
    “Das brauchst du nicht. Aber kannst du mir das Frühstück bringen, es steht in der Küche?”
    “Nur bis du gesund bist …”, flüsterte Michael, während er hinausging und seine Flügel mit soviel Würde wie ihm blieb, verschwinden ließ.

 
    IV
    Einige Wochen später wohnte Michael immer noch bei Jonathan. Er brachte die Schränke durcheinander, sprang durchs Zimmer, während er Rockmusik hörte, versuchte zu kochen und machte sich auf jede andere Weise nützlich.
    Jonathan war wieder gesund und beobachtete das Treiben des Engels mit einer Gelassenheit, die ihn erstaunte. Es hatte noch nie mit jemandem zusammen gewohnt, und immer gedacht, es würde ihn stören.
    Eines Morgens hatte es heftig geschneit, der Engel stand am Fenster, sah den Flocken zu und erinnerte sich an die Tage, als er noch auf der anderen Seite gesessen und nach drinnen geschaut hatte. Diese Zeit kam ihm jetzt schon fern und fast unwirklich vor.
    “Komm, wir gehen in den Schnee”, sagte Jonathan. Er gab Michael seinen alten Mantel, obwohl der versicherte, auch im Hemd nicht zu frieren. Sie machten sich auf den Weg durch die verschneiten Straßen und Jonathan kam nicht umhin zu bemerken, dass Michael der hellbraune Mantel sehr gut stand. Auch stellte er fest, dass der Engel mittlerweile sicher und ausdauernd lief.
    Auf den Straßen fuhren nur wenige Autos, am Straßenrand standen sie unter dicken Schneehaufen, und es war ungewöhnlich still. Im Stadtwald waren viele Menschen unterwegs, auf einer Wiese bewarfen sich einige Kinder gegenseitig mit dem Pulverschnee. Der Engel blieb verdutzt stehen, dann lief er hinüber, griff in den Schnee und bewarf Jonathan, der hinzugetreten war. Der zögerte nicht lange, sondern antwortete mit einer eigenen Ladung Schnee. Nachdem sie Haare, Kragen und Jonathans Brille ausgiebig nass gemacht hatten, ließ Michael sich nach hinten fallen. Mit einem Juchzer landete er in der weißen Pracht, bewegte die Arme und lachte.
    “Das ist fast wie im Himmel.” Er schaute in den strahlend blauen Himmel über sich. “Nur schöner.”
    Jonathan beugte sich hinunter, schaute in Michaels

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