Der Engelspapst
war im Zweiten Weltkrieg doch neutrales Gebiet.»
«Das war der Bomberbesatzung und ihrem Befehlshaber egal.»
«Ihrem Befehlshaber?», wiederholte Alexander. «Heißt das, der Vatikan wurde gezielt bombardiert?»
«Offiziell ist das nie geklärt worden. Sowohl die Deutschen als auch die Alliierten haben jede Verantwortung abgelehnt. Ich habe an dem Flugzeug keine Hoheitszeichen gesehen, aber damals wusste ich nicht mal, was Hoheitszeichen sind.
Allerdings kam einige Tage später ein Prälat aus dem Staatssekretariat in unsere Wohnung und zeigte mir ein Heft mit Darstellungen verschiedener Flugzeuge. Er wollte wissen, ob ich den Bomber erkennen würde. Tatsächlich habe ich eine entsprechende Flugzeugform in dem Heft gefunden. Ich weiß noch, dass es auf den Seiten mit den britischen Maschinen war.»
Alexander hörte gespannt zu und beugte sich weit über den Tisch. «Was geschah dann?»
«Der Prälat wurde blass und sagte, ich solle darüber strengstes Stillschweigen bewahren. Danach habe ich nie wieder etwas über die Sache gehört.»
«Haben Sie jemandem von der unterirdischen Kapelle erzählt?»
Die Frage kam von Elena, die vermutlich dasselbe dachte wie Alexander: Der edelsteingeschmückte Raum unter der Erde musste identisch sein mit dem Ort, an dem Papst Clemens VII.
einst dem Zirkel der Zwölf den Eid abverlangt hatte.
«Nein. Als die Carabinieri mir schon nicht glauben wollten, dass ich unter der Erde vom anderen Tiberufer herübergekommen war, hielt ich es für besser, die Kapelle nicht zu erwähnen. Nur Nuccio habe ich davon berichtet, als er aus dem Krankenhaus kam. Vielleicht hätte ich die Kapelle selbst irgendwann für eine Einbildung meines überreizten Verstandes gehalten, hätte ich sie viele Jahre später nicht noch einmal gesehen.»
Elena stieß einen Laut der Überraschung aus. «Sie waren noch einmal dort, Signora?»
«Wir mussten lange nach dem Weg suchen. Damals, als ich der Katze folgte, habe ich ihn mir natürlich nicht eingeprägt.
Und es gibt viele alte Stollen und Schächte unter Rom.»
«Wer ist wir? » , fragte Elena.
«Monsignore Borghesi und ich. Als ich ihn vor acht oder neun Jahren kennen lernte, lebte er noch als Benefiziat im Vatikan.
Wie Sie beide kam auch er unter irgendeinem Vorwand zu mir.
Er täuschte Interesse an meiner Arbeit vor und versprach, Kollekten für die herrenlosen Katzen Roms durchzuführen.
Aber ich habe schnell gemerkt, dass er etwas anderes wollte.
Nicht Signora del Grosso interessierte ihn, sondern die kleine Adriana Vivarelli, die als Kind im Vatikan einen unterirdischen Gang entdeckt hatte. Borghesi hatte irgendwo darüber gelesen und fragte mich, ob ich etwas von einem geheimen Versammlungsort unter der Erde wüsste, so eine Art Kirche.»
«Und Sie haben ihm die Edelsteinkapelle gezeigt», schlussfolgerte Alexander.
«Es hat ihn eine beachtliche Spende gekostet.»
«Und? Was wollte Borghesi dort?»
«Ich habe nicht die geringste Ahnung. Ich war nur seine Führerin. Es war ein seltsames Erlebnis. In der Kapelle hatte sich nichts verändert, als wären seit dem Bombenangriff nur Tage und nicht Jahrzehnte vergangen. Die Kerzen brannten wie ehedem auf dem Altar, aber außer uns war niemand dort. Wer immer sich um die Kerzen kümmerte, glaubte wohl, die Stollen, durch die wir gekommen waren, hätten keinen Ausgang, und rechnete daher nicht mit ungeladenem Besuch. Borghesi hat sich nicht lange in der Kapelle aufgehalten. Er hat sich ein paarmal fassungslos um sich selbst gedreht und dann den Altar angestarrt. Die vielen Edelsteine schienen ihn gar nicht zu interessieren. Irgendwann stand ihm plötzlich der Schweiß auf der Stirn und er sah ängstlich aus. So schnell wie möglich wollte er die Kapelle wieder verlassen.»
Elena zwinkerte der Katzennärrin zu. «Haben Sie nicht ein paar Edelsteine mitgenommen, Signora? Damit hätten sie eine Menge Katzenfutter kaufen können.»
Hastig schlug die alte Frau ein Kreuz. «Gott bewahre mich vor solcher Dummheit! Diese Kapelle ist entweder verflucht oder ein heiliger Ort. Auf jeden Fall bringt es nichts Gutes, von dort etwas zu stehlen.»
Alexander ging die ganze Zeit etwas im Kopf herum. «Stand der Holzkasten bei Ihrem letzten Besuch in der Kapelle noch da? Hat Borghesi deshalb so auf den Altar gestarrt?»
«Ich habe nicht darauf geachtet», antwortete Signora del Grosso zu seiner Enttäuschung. «Und ich habe Borghesi auch nie wieder zur Kapelle begleitet.»
«Er war noch öfter dort?»,
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