Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Engelspapst

Der Engelspapst

Titel: Der Engelspapst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jorg Kastner
Vom Netzwerk:
Glimmen und doch ein gewaltiger Hoffnungsschimmer, denn es bedeutet auch, dass sie nicht erblindet ist.
    Wieder hört sie die Katze miauen. Es klingt wie eine Aufforderung: «Komm schon, Adriana, folge mir!»
    Als Adriana um eine Ecke biegt, wird das Licht heller. Es ist ein seltsames Leuchten von unwirklichem Glanz. Bestimmt kein Tageslicht. Aber sie kennt auch keine Lampe, die in einer solchen Vielfalt blauer, roter und grüner Farbtöne leuchtet. Am ehesten lässt es sich mit von Kerzen beleuchteten Kirchen-fenstern vergleichen, wie man sie sieht, wenn man abends durch den Vatikan streift.
    Beim Weitergehen, dem magischen Leuchten entgegen, sieht sie zum ersten Mal die Katze, die zu ihrer Führerin durch die unterirdische Welt geworden ist. Ein mageres Tier mit dunklem, struppigem Fell. Für Adriana, die schon glaubte, niemals mehr ein lebendiges Wesen zu sehen, ist es die schönste Katze der Welt. Dankbar folgt sie ihr. Die Hoffnung, einen Weg aus dem unterirdischen Gefängnis zu finden, lässt sie jeden Schmerz vergessen.
    Noch eine Biegung, und sie bleibt überrascht stehen, vor sich die Quelle des seltsamen Lichts. Es ist ein unglaublicher Anblick. Der unterirdische Raum ähnelt einer Kapelle, obwohl solch ein Gotteshaus sich im ganzen Vatikan nicht findet, jedenfalls nicht über der Erde. Auf dem kleinen Altar stehen rund um einen hölzernen Kasten mehrere Kerzen. Einige sind erloschen, andere brennen. Ihr Licht wird von den Wänden zurückgeworfen, wodurch das unwirkliche Leuchten entsteht.
    Denn die Wände sind mit Hunderten von Edelsteinen geschmückt, deren Farben sich vermischen: Das Grün von Smaragden, das Rot von Rubinen, das Blau von Saphiren und das Violett von Amethysten.
    Alles ist so fremdartig, so verwirrend, dass Adriana für kurze Zeit vergisst, in welcher Zwangslage sie sich befindet. Staunend betrachtet sie die Wände und erkennt, dass die Edelsteine Muster bilden. Hinter dem Altar formen unzählige Amethyste ein Kreuz, so groß wie ein Mensch. Wer hat diesen Raum geschaffen, wer die Kerzen entzündet?
    Und dann denkt sie: Wenn jemand hierher kommt und sich um die Kerzen kümmert, muss es einen Weg nach draußen geben.
    Einen Weg in die Freiheit!
    Vorhin, in dem dunklen Gang, ist sie an einigen Abzweigungen vorbeigekommen. Aber sie weiß nicht, wohin diese Wege führen, ob sie nicht wiederum an einer Mauer enden.
    Die Katze schlüpft durch ein Eckloch dicht über dem Boden.
    Mit Mühe und Not kann Adriana, die eine Kerze vom Altar mitnimmt, sich ebenfalls durch die Öffnung quetschen. Dabei zerreißen ihre Kleider, aber sie denkt jetzt nicht an die tadelnden Worte ihrer Mutter.
    Wieder muss sie kriechen, etlichen Windungen folgen, bis der Gang endlich weiter wird. Luftiger. Heller.
    Frische Luft und Tageslicht!
    Sie beginnt zu laufen, stolpert, fällt, rappelt sich wieder hoch und rennt weiter. Bis sie im Freien steht. Endlich!
    Das Licht ist so grell, dass ihre Augen tränen. Durch den nassen Schleier erkennt sie ihre Führerin, die sich zu anderen Katzen gesellt. Sie aalen sich im hohen Gras einer Wiese, die von Ruinen umgeben ist.
    «Hier, bei den republikanischen Tempeln, bin ich heraus-gekommen», schloss Signora del Grosso ihren Bericht. «Die Katze hat mir das Leben gerettet.»
    «Dann haben Sie unter der Erde eine Strecke von fast zwei Kilometern zurückgelegt», staunte Alexander. «Und Ihr Weg hat unter dem Bett des Tibers entlanggeführt.»
    «So ist es», sagte die Katzennärrin leichthin. «Aber die Carabinieri, die mich fanden, wollten mir auch nicht glauben.

    Sie haben mich in ein Krankenhaus gebracht und am nächsten Tag zurück in den Vatikan, wo ich Nuccio wieder sah.»
    «Er hatte den Bombenangriff also auch überlebt?», fragte Elena.
    «Ja, aber es hatte ihn schwer erwischt. Es war wohl mein Glück im Unglück, dass ich in die Höhlen gefallen bin, die von den Explosionen erst aufgerissen und dann wieder verschüttet wurden. Das hat mir weitere Verletzungen erspart. Der arme Nuccio wurde von mehreren Bombensplittern getroffen. Einer saß so dicht an seinem Herzen, dass er nicht herausoperiert werden konnte. Nuccio del Grosso hatte immer darunter zu leiden. Als wir 1960 heirateten, wussten wir beide, dass es keine lange Ehe sein würde, aber wir haben nicht damit gerechnet, dass er schon in den Flitterwochen stirbt. Seitdem bin ich allein und versuche, den Katzen von Rom meinen Dank abzustatten.»
    «Was war das für ein Bombenangriff?», fragte Alexander.
    «Der Vatikan

Weitere Kostenlose Bücher